Ein nachhaltiger Riese

Roche Bau 2

Deutsches Ingenieurblatt 03/2023
Hochbau
Verwaltung und Büro
Objekte
Green Engineering: Umwelt, Energie, Mensch

Markant und unverkennbar: Mit seinen 205 Metern Höhe gilt der Roche Bau 2 in Basel als höchstes Gebäude der Schweiz. Beeindruckend ist aber nicht nur die Höhe des Büroriesen: Auch in Sachen Nachhaltigkeit überzeugt der 50 Stockwerke hohe Turm: angefangen vom minimierten Ressourcenverbrauch über ökologische Energieversorgung bis hin zur gesunden Materialauswahl. Alle beim Bau umgesetzten Nachhaltigkeitsmaßnahmen basierten dabei nicht nur auf den Unternehmenswerten des Bauherrn, der F. Hoffmann-La Roche AG, und den allgemein anerkannten Nachhaltigkeitsstandards, sondern auch auf dem Cradle-to-Cradle-Konzept.

Mit der Einweihung im September 2022 löste der Roche Bau 2 offiziell seinen kleinen Bruder, den Roche Bau 1, mit 178 Metern als höchstes Gebäude der Schweiz ab. Im Herzen von Basel und am Rheinufer gelegen bilden die beiden Bürotürme den Firmensitz des Pharmakonzerns Roche. Wie der 2015 fertiggestellte Bau 1 stammt der Bau 2 ebenfalls aus der Feder des Schweizer Architekturbüros Herzog & de Meuron. Durch mehr Höhe bietet der Neubau auch mehr Raum: Für bis zu 3500 Mitarbeitende stehen dort flexible und moderne Arbeitsplätze bereit. Um das aufgrund der Corona-Pandemie veränderte Arbeitsverhalten zu berücksichtigen, hat der Bauherr den Bau 2 ein New-Normal-Bürokonzept entwickelt. Dieses umfasst eine lebendige Mischung aus Räumen für konzentriertes Arbeiten, Zonen zur Förderung der Kommunikation und Zusammenarbeit sowie verschiedenen Sondernutzungsgeschossen mit modernsten Sitzungs- und Videokonferenzräumen. Zwei Cafeterien und eine Lounge im obersten Geschoss runden das Ganze ab. Das adaptive Bürolayout ermöglicht es dabei, auf Veränderungen in der Büronutzung jederzeit flexibel zu reagieren. So bietet das Gebäude jedem Nutzer unterschiedliche Angebote und den auf seine Bedürfnisse zugeschnittenen Arbeitsplatz.

Um dem Umwelt- und Klimaschutz Rechnung zu tragen, hat sich das Pharmaunternehmen zum Ziel gesetzt, seinen gesamten ökologischen Fußabdruck bis 2030 um die Hälfte zu reduzieren. Daher wurde das bereits beim ersten Bürohochhaus angewendete Nachhaltigkeitskonzept für den Bau 2 weiterentwickelt. Um einen herausragenden Nachhaltigkeitsgrad zu erreichen, wurden bei der Planung und dem Bau des neuen Büroturms mehrere ökologische Bewertungssysteme herangezogen. So orientieren sich sämtliche Nachhaltigkeitsmaßnahmen zum einem an dem Roche-eigenen Kriterienkatalog Sustainable Construction Evaluator, kurz SusConEval, der auf dem Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz (SNBS) basiert. Zum anderen wurden das US-amerikanische System LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) und das Cradle-to-Cradle-Designprinzip (C2C) als Bewertungsgrundlage angewendet. Letzteres beschreibt ein kreislauffähiges Konzept, beim dem Produkte, Prozesse, Gebäude und Städte so gestaltet werden, dass sie chemisch und gesundheitlich unbedenklich, sortenrein trennbar und positiv für die Umwelt sind.

Hohe Innenraumqualität durch gesunde Materialauswahl

Vor diesem Hintergrund wurde beim Bau des zweiten Roche-Turms ein besonderes Augenmerk auf die Materialgesundheit und die Minimierung von Schadstoffen in der Raumluft gelegt. Ziel war es, Materialien und Stoffe zu vermeiden, die aufgrund ihrer Eigenschaften Risikopotenzial enthalten und für Mensch und Natur schädlich sind. Um dies zu erreichen, führten die Cradle-to-Cradle-Fachkräfte der EPEA GmbH einen aufwändigen Prozess zur Auswahl, Nachweisführung, Freigabe und Dokumentation von Materialien durch. Alle die Innenraumluft beeinflussenden Produkte wie Böden, Wände, Decke und lose Möblierungen galt es, unter die Lupe zu nehmen.
Jedes dieser Produkte wurde vor der Ausführung durch die unterschiedlichen Unternehmer, insgesamt 59 Gewerke, in der Materialdeklarationsliste deklariert und durch das EPEA-Expertenteam beurteilt. Insgesamt haben die Nachhaltigkeitsfachleute über 950 Einzelprodukte und knapp 100 Möbeltypen auf Schadstoffe, Emissionen, Langlebigkeit sowie Recycling- und Kreislauffähigkeit geprüft. Nur bei finaler Freigabe und einwandfreier Qualität durfte ein Produkt eingebaut werden. Alle Produkte wurden anschließend in dem von EPEA entwickelten Circularity Passport, einer Art digitaler Gebäudematerialausweis, dokumentiert. Auch nach Fertigstellung des Gebäudes dient der Circularity Passport als Dokumentationsnachweis und gibt zusätzlich eine detaillierte Auskunft darüber, welche verwendeten Materialien sich einfach trennen lassen und welche chemische Zusammensetzung die verbauten Produkte besitzen.

So kam in den Bürobereichen beispielsweise Teppich aus einem Garn aus regeneriertem Nylon (wie zum Beispiel ausrangierten Fischernetzen) zum Einsatz. Die Spezialfasern des Bodenbelags binden die Staubpartikel, bis der Staubsauger sie aufsaugt. Dadurch verbessert sich das Raumklima und die Nutzer atmen erheblich weniger Staub ein. Zudem kann der Teppichbelag nach Gebrauch sortenrein getrennt und dem Hersteller zurückgegeben werden. Dies erspart ca. 3.500 Containerfüllungen an Abfall über die Gesamtnutzungszeit des Gebäudes. Für eine gesunde Innenraumqualität sorgen zudem die 130 Quadratmeter große begrünte Wand im Erdgeschoss des Neubaus, ein botanischer Garten, in dem die Nutzer mitten im Grünen arbeiten können, und diverse Kompositionen aus luftreinigenden Pflanzen in den Bürobereichen. Die thermische Behaglichkeit in den Innenräumen wird durch eine Kombination aus Quelllüftung und Heiz-/Kühldecke sichergestellt. Das durchdachte Akustikkonzept mit nichttragenden und flexiblen Glas- und Systemtrennwänden fördert die Konzentration, bietet Ruhe und sorgt für zusätzlichen Komfort. Dass die sorgfältige Planung und der Einsatz gesunder Materialien zu einem positiven Ergebnis führen, bestätigten auch die von einem unabhängigen Prüfinstitut nach der Fertigstellung des Gebäudes durchgeführten Innenraumluftmessungen: Die Messresultate zeigten, dass die Schadstoffe in den Innenräumen des Baus 2 auf einem extrem tiefen Niveau liegen.

 

Nachhaltiges Energiekonzept nach dem 3-Säulen-Prinzip

Neben der gesunden Materialauswahl stand beim Roche Bau 2 eine nachhaltige Energieversorgung und -Nutzung im Fokus. Diese wurde durch ein 3-Säulen-Energiekonzept umgesetzt, das auf die Minimierung des Energiebedarfs, die ökologische Energieversorgung und auf den energieeffizienten Betrieb abzielte. Um den Energiebedarf zu senken, wurde beispielsweise der Glasanteil der Fassade um rund 50 Prozent reduziert. Eine doppelschalige Closed-Cavity-Fassade mit integriertem, effizienten Sonnenschutz, eine gute Wärmedämmung, effiziente HLK-Systeme sowie Aufzüge mit 35 Prozent Energierückgewinnung waren weitere wesentliche Hebel, um den Energiebedarf zu minimieren.

In puncto Energieversorgung profitiert der neue Roche-Turm von der Areal-Energiekonzeption, denn die Hauptenergiequellen des Bürogebäudes sind Prozessabwärme und Geothermie aus Grundwasser. Hinzu kommt, dass der Strombedarf zu 80 Prozent aus externen regenerativen Quellen und zu 20 Prozent aus einer arealinternen hocheffizienten Kraft-Wärme-Kopplung gedeckt wird.

Damit diese Nachhaltigkeitsmaßnahmen ihr volles Potenzial entfalten, galt es, eine effiziente Nutzung der Energie auch in der Betriebsphase sicherzustellen. Da der Roche Bau 2 als Smart Building geplant und umgesetzt wurde, verfügt er über eine Vielzahl smarter Sensoren, die eine bedarfsgerechte Regelung der Klimatisierungs- und Beleuchtungssysteme und damit auch einen energieeffizienten Betrieb ermöglichen. Zudem wird über das Gebäudeleitsystem ein präzises kontinuierliches Energiemonitoring durchgeführt. Mit all diesen Maßnahmen lassen sich nicht nur negative Umweltwirkungen reduzieren, sondern auch die Betriebskosten positiv beeinflussen.

Innovatives Bürohochhaus mit grüner Seele

Durch die sorgfältige Materialauswahl, das flexible Bürokonzept und den durchdachten, sparsamen Umgang mit der Energie beeindruckt der Roche Bau 2 mit seinen inneren Werten genauso wie mit seiner Höhe. Maßgeblich für die erfolgreiche Realisierung des Projekts waren insbesondere auch Methoden wie modulare Planung, Building Information Modeling (BIM) und Lean Construction Management (LCM). Mit BIM konnte beispielsweise ein nahezu fehlerfreies und qualitätsgesichertes Planwerk erstellt werden. Dies ermöglichte den Unternehmern, ihren Vorfertigungsgrad und ihre Produktivität auf der Baustelle deutlich zu steigern. Die Anwendung von LCM sorgte dafür, dass das Projekt trotz Pandemie im Zeit- und Kostenrahmen blieb und die Bauablaufstörungen auf ein Minimum reduziert wurden. Die Gesamtkoordination aller Planungsleistungen lag dabei in den Händen des Immobilienberatungs- und Projektmanagement-unternehmens Drees & Sommer. Mit innovativen Konzepten und Methoden sowie der Unterstützung durch Nachhaltigkeitsfachkräfte ist es der F. Hoffmann-La Roche AG gelungen, in nur sechs Jahren Bauzeit nicht nur das höchste Gebäude der Schweiz, sondern auch eines der weltweit nachhaltigsten Bürohochhäuser zu errichten.

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