Ausgefeilte Detailplanung im Passivhaus-Standard

Stadtteil- und Nahversorgungszentrum

Deutsches Ingenieurblatt 10/2021
Objekte
In der Bahnstadt Heidelberg, der größten Passivhaus-Siedlung der Welt, entstand mit den Westarkaden ein Stadtteil- und Nahversorgungszentrum. Um die energetischen Vorgaben eines Passivhaus-Standards bei einer Mischnutzung aus Wohnen, Gewerbe und Gastronomie zu erfüllen, war eine detaillierte Planung jeder einzelnen Wärmebrücke notwendig.

Im Südwesten Heidelbergs, dort wo früher Güter verladen, Waggons in neue Züge zusammengesetzt wurden und Teile der US-Armee stationiert waren, entstand auf einer Fläche von 116 Hektar die Bahnstadt Heidelberg. Rund 5.000 Menschen leben und arbeiten bereits in der weltweit größten Passivhaus-Siedlung. Mit den Westarkaden soll die Zahl auf über 6.000 wachsen. Hinter einem Passivhaus steht das Baukonzept, Energie zu sparen: Durch besonders energieeffiziente Bauteile und Lüftungstechnik braucht ein Passivhaus 90 Prozent weniger Heizwärme als ein Haus im Baubestand. Passivhäuser stellen damit einen aktiven Betrag zum Klimaschutz und zur Nachhaltigkeit dar.  

Mischnutzung aus Wohnen, Gewerbe, Gastronomie
Ein dreiteiliges Gebäudeensemble zwischen Gadamerplatz und Eppelheimer Straße bildet künftig das neue Eingangstor zur Bahnstadt und soll die Rolle des traditionellen Markplatzes, also das Zentrum des gesellschaftlichen Lebens des Stadtteils, übernehmen. Aufgesetzt auf einer zweigeschossigen Tiefgarage mit rund 540 Stellplätzen für Mieter und Kunden stellt das Konzept mit circa 11.700 qm Einzelhandelsfläche und Gastronomie und Gewerbe im Erdgeschoss, rund 300 familienfreundlichen, barrierefreien Mietwohnungen in den oberen Stockwerken sowie Büros und einer Kita eine vielfältige Nutzung aus Wohnen, Gewerbe und Gastronomie dar. „Die Herausforderung bei diesem Konzept der Mischnutzung war es, privaten Wohnraum zu gestalten und sicherzustellen und gleichzeitig Zugang zum öffentlichen Leben zu schaffen“, berichtet Projektleiter Björn Fenske von WWA Architekten. Gelöst wurde dies über die Divergenz in den Fassaden sowie der Balkone und Loggien. So wurden im Bauteil 1 Balkone mit einer Auskragung von bis zu 2,70 m gestaltet.

In den Bauteilen 2.1 und 2.2, die sich auf dem Platz Richtung Süden stellen, wurden Loggien- Lösungen entworfen, um für die Bewohner im Inneren einen Rückzugsraum zu schaffen und zugleich die Lärmquelle vom Platz zu nehmen: im Bauteil 2.1 mit Faltschiebelementen aus Glas, im Bauteil 2.2. durch eine offene Balkonsituation mit Glasgeländern und deckenhohen Glasbauelementen, die circa 1,50 m vor der Fassade liegen. 

Differenzierte Detailplanung
Die unterschiedliche Gestaltung der Balkone und Loggien erforderte eine sehr detaillierte Planung aller möglichen Wärmebrücken, um – wie für die Bahnstadt vorgegeben – den Passivhaus- Standard zu erfüllen. „Der Aufwand für die Planung war immens hoch“, berichtet Marcel Schütze, Projektleiter bei Schreiber Ingenieure aus Stuttgart. „Bauphysikalisch waren die geometrisch sehr unterschiedlich gestalteten Balkone und Loggien energetisch schwer in den Griff zu bekommen. Beispielsweise sind durch den Energieverbrauch die Vorgaben für Passivhäuser im Bereich Wohnen ganz anders als beim Gewerbe.“ Auch die angrenzenden Gebäudeteile wie Tiefgarage und Treppenhäuser mussten energetisch präzise berechnet werden, ebenso wie die Statik der dicken, massiven Bauteile. 

 

 

 

Vorteil Glasfaserverbundwerkstoff: energetisch wärmebrückenfrei
Die Lösung, um die Balkone und Loggien wärmebrückenfrei anzuschließen, fanden die Baubeteiligten im Schöck Isokorb CXT: das „C“ steht bei diesem Bauteil für Combar, einem Glasfaserverbundwerkstoff, aus dem die Zugstäbe bestehen. Combar bietet eine hohe Wärmedämmleistung, denn seine Wärmeleitfähigkeit ist im Vergleich zu Edelstahl um das 15-Fache niedriger. Mit dem Isokorb CXT lassen sich Wärmebrücken somit auf ein Minimum reduzieren. Darüber hinaus ist – und für das Projekt Westarkaden entscheidend – der Isokorb auch durch das Passivhaus Institut zertifiziert. Das war besonders wichtig, denn es wurde seitens der Stadt akribisch darauf geachtet, dass bei der Planung und im Einbau die Vorgaben zum Passivhaus-Standard eingehalten wurden. 

Stadtteilzentrum mit Modellcharakter
Die strengen Vorgaben des Passivhaus-Standards erforderten eine enge Abstimmung aller Baubeteiligten, die bei dem großen Bauvorhaben sehr viele, einzelne Situationen im Detail und unter Zeitdruck zu planen hatten. Die erfolgreiche Umsetzung bestätigt nun die Idee hinter dem Projekt. Die ersten Mieter wohnen bereits seit Dezember 2019 im Bauteil 1.  

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