Wir sind lieferfähig

Gespräch mit Dr. Andreas Huther, Geschäftsführer puren gmbh in Überlingen zur Rohstoffsituation für PU-Dämmstoffe

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Im zurückliegenden Jahr 2017 machte das Wort „Force Majeure“ im Sektor der PU-Dämmstoffe die Runde. Die Hersteller und Lieferanten für PU-Rohstoffe beriefen sich damit auf den Eintritt von Ereignissen „höherer Gewalt“ und konnten ihre Lieferverpflichtungen nur partiell erfüllen, was teilweise zu Lieferengpässen bei PU-Dämmstoffen führte. Was waren die Hintergründe für diese Entwicklung? Das Gespräch mit Dr. Andreas Huther, Geschäftsführer der puren gmbh aus Überlingen, erklärt Zusammenhänge und Hintergründe.  

Frage: Im zurückliegenden Jahr 2017 war die PU-Dämmstoffbranche zum Teil nicht lieferfähig. Was ist geschehen? 

Dr. Huther: Einer der großen europäischen Hersteller von PU-Rohstoffen, die Firma Covestro, musste sich auf „Force Majeure“ (höhere Gewalt) berufen, womit die vertraglich vereinbarten Lieferungen nicht erfüllt werden mussten. Dies wurde damit begründet, dass für Covestro unvorhersehbare technische Störungen im Bereich von Vorlieferanten eingetreten sind, die eine pünktliche Belieferung der PU-Industrie mit ausreichenden Rohstoffmengen nicht mehr ermöglicht haben. Aber auch andere Hersteller von PU-Rohstoffen hatten im vergangen Jahr mit technischen Schwierigkeiten zu kämpfen.

Frage: Wie hat sich diese Situation in 2017 auf Ihre Lieferfähigkeit ausgewirkt?

Dr. Huther: Grundsätzlich war auch puren, wie praktisch alle Unternehmen in der PU-Branche, von den Versorgungsschwierigkeiten betroffen. Das Unternehmen puren war gut aufgestellt und hatte 2017 über einige Reserven verfügt, sodass wir die mit unseren Kunden vereinbarten Mengen in der Standardware weitgehend und im Großen und Ganzen liefern konnten. Lediglich bei einigen Spezialprodukten, die besonders hochwertige Rohstoffe erfordern, hatten auch wir Störungen in der Belieferung.

Frage: Konnte die PU-Dämmstoffbranche nicht auf andere Lieferanten ausweichen?

Dr. Huther: Aufgrund der besonders vorteilhaften Eigenschaften von PU als Hochleistungsdämmstoff sowie für andere Anwendungen, ist die weltweite Nachfrage nach PU-Rohstoffen in den letzten Jahren stetig gestiegen. Die Rohstoffhersteller erhöhen zwar ihre weltweiten Produktionskapazitäten, aber ad-hoc konnten die in 2017 ausgefallenen Kapazitäten damals nicht von den Herstellern von PU-Rohstoffen kompensiert werden. 

Frage: Ist es nicht töricht, sich in so großem Umfang von nur wenigen Lieferanten abhängig zu machen?

Dr. Huther: Nein, das ist es nicht. Im ersten Augenblick könnte die Situation tatsächlich als nicht sehr vorteilhaft für die Branche aussehen, aber die Situation ist komplex. Die für unsere PU-Hochleistungsdämmstoffe benötigten Rohstoffe sind von besonders hoher Qualität, da ansonsten die beeindruckende Ressourceneffizienz von PU nicht erreicht werden kann. Ferner gab es 2017 viele nicht vorhersehbare Faktoren, die letztendlich in der Summe zu dieser bisher einmaligen Rohstoff-Knappheit geführt haben.

Frage: Aber Angebot und Nachfrage pegeln sich doch normalerweise auf einem gesunden Niveau ein.

Dr. Huther: Die Herausforderung ist die Nachfrageseite, die zuletzt stark gestiegen ist und viele Mitspieler vor allem außerhalb der Dämmstoffbranche kennt. PU-Rohstoffe sind zurzeit in den verschiedensten Branchen sehr gefragt, weil sie besonders wirkungsvoll und damit ressourcenschonend sind.

Frage: Und woher kommt die große Nachfrage?

Dr. Huther: Also zuerst sind PU-Dämmstoffe als Hochleistungsdämmstoffe weltweit sehr erfolgreich. Auch unsere eigene Produktion in China für den asiatischen Markt erfreut sich zunehmender Nachfrage. China ist ein riesiger Markt und die Rohstoffsituation war auch dort angespannt. Aber die Polyurethan-Ausgangsmaterialien werden auch von anderen Brachen benötigt.

Frage: Und welche Branchen benötigen ebenfalls PU-Rohstoffe?

Dr. Huther: Einer der großen Bedarfsträger ist die Automobilindustrie. Diese Branche boomt zurzeit weltweit. Armaturenbretter, Türbekleidungen oder Sitze bestehen oft aus PU. In den Produktionen von Polstermöbeln, Schlafmatratzen, Kühlschränken, Turnschuhen, Skiern, Auslegewaren oder Rotorblättern für Windkraftanlagen werden auch PU-Rohstoffe eingesetzt. Neuerdings werden sogar einige Möbel eines bekannten Möbelhauses mit steigender Tendenz nicht mehr aus Holzwerkstoffen, sondern aus einer Art Pappmaschee mit PU-Bindemitteln produziert. Dem aktuellen Bauboom folgt immer auch ein Möbelboom und für beides benötigt die Branche Bindemittel auf PU-Basis. Auch für die Herstellung von Holzfaserprodukten (insbes. Holzfaserdämmstoffe, Spanplatten)  werden mittlerweile beachtliche Mengen PU-Rohstoffe benötigt. PU-Rohstoffe sind weltweit überaus erfolgreich. 

Frage: Aber dann ist das doch auch ein gutes Geschäft für die Rohstofflieferenten. Warum rüsten diese Hersteller nicht auf?

Dr. Huther: Die Investitionssummen für ein Werk, das PU-Basismaterialien liefert, sind gigantisch. Eine PU-Rohstoffproduktion aufzubauen erfordert geschätzte Investitionen von deutlich über einer Milliarde Dollar pro Anlage. Sinnvoll zu betreiben sind solche Produktionen aber nur mit geeigneten Vor- und Nachstufen, die parallel auch andere Rohstoffe produzieren. Alles zusammen erfordert also erhebliche Investitionen, die gründlich geplant und bedacht werden müssen. Da ist es doch verständlich, dass die Investoren vorsichtig kalkulieren und ihre Kapazitäten zuerst maximal auslasten, bevor sie ein neues Werk bauen.

Frage: Werden die Rohstoff-Kapazitäten ausgebaut?

Dr. Huther: PU-Rohstoffe werden zurzeit in über 20 Werken weltweit produziert. Aktuell haben bereits drei große Hersteller den Ausbau ihrer Kapazitäten angekündigt bzw. bereits umgesetzt; u.a. in China, USA und im Mittleren Osten. Aber auch in Deutschland werden aktuell die Kapazitäten erhöht, so dass bereits dieses Jahr mehr Mengen verfügbar sind. Die neu entstehenden Kapazitäten sind bemerkenswert, aber auch die Nachfrageseite ist positiv.

Frage: Wie schätzen Sie die Rohstoffsituation für die Zukunft ein?

Dr. Huther: Die Rohstofflage hat sich normalisiert und es gibt zurzeit keine Anzeichen, die auf eine weitere Verknappung hinweisen. Dennoch: PU-Rohstoffe sind sehr gefragt. Wir haben uns auf die Situation eingestellt und unsere Zwischenlager entsprechend angepasst. Wir spannen ein breiteres Netzwerk und sichern uns damit für die Zukunft besser ab. Ungeachtet der weltweit hohen Nachfrage nach PU-Rohstoffen gehe ich für das laufende Jahr 2018 und auch in den kommenden Jahren von einer guten und ausreichenden Versorgungslage aus. Wir werden lieferfähig sein. Das ist unser Ziel, das wir mit großem Einsatz auf allen Ebenen anstreben.

Herr Dr. Huther, besten Dank für das Gespräch.

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