Universität Hohenheim simuliert Auswirkungen des Klimas im Jahr 2050 / Protein- und Nährstoffgehalte der Kulturpflanzen sinken / ein Werkstattbericht
Schlechtere Backeigenschaften, weniger Nährstoffe, Gefahr der Fehlernährung: Mit diesen Problemen ist Weizen wohl künftig verbunden. Ursache sind der Klimawandel und der wachsende Anteil des Klimagases CO2 in der Atmosphäre – so das alarmierende Ergebnis von Wissenschaftlern der Universität Hohenheim in Stuttgart. Ihre bisherigen Erkenntnisse gewannen die Forscher um Prof. Dr. Andreas Fangmeier in sogenannten Klimakammern: Darin simulierten sie die Klimabedingungen in 30 Jahren und untersuchten, wie sie sich auf Ertrag und Qualität von Weizen als Modellpflanze auswirken. Derzeit werden die Ergebnisse im Freiland weiter verfeinert. Mit über 300.000 Euro Fördermitteln von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ist das Projekt an der Universität Hohenheim ein Schwergewicht der Forschung.
In rund 30 Jahren wird die Atmosphäre erheblich mehr Kohlendioxid (CO2) enthalten als heute – mit erheblichen Konsequenzen auch für die Landwirtschaft. Neben indirekten Folgen wie Klimaerwärmung und häufigeren Extremereignissen kann sich das CO2 auch direkt auf die Kulturpflanzen auswirken. Ein Effekt: Das Treibhausgas könnte als Dünger wirken und die Erträge erhöhen – aber auf Kosten der Qualität.
Das nehmen Wissenschaftler der Universität Hohenheim nun in einem Forschungsprojekt genauer unter die Lupe. Prof. Dr. Andreas Fangmeier, PD Dr. Petra Högy und ihr Team vom Fachgebiet Pflanzenökologie und Ökotoxikologie simulieren dazu in Klimakammern und im Freiland die Klimabedingungen der Zukunft.
Versuchsanordnung simuliert CO2-Konzentration von morgen
„In früheren Experimenten seit 2012 haben wir mit Klimakammern gearbeitet, in denen wir die voraussichtlichen Temperaturen und die CO2-Gehalte im Jahr 2050 simuliert haben“, erläutert PD Dr. Högy. Verglichen wurden also Szenarien mit dem heutigen CO2-Gehalt von 400 ppm und dem in 30 Jahren von 550 ppm.
In einer zweiten Projektphase führen die Wissenschaftler derzeit Feldexperimente durch, bei denen sie ebenfalls die CO2-Bedingungen der Zukunft nachstellen. Möglich wird das durch FACE.
„FACE steht für Free-Air Carbon dioxide Enrichment“, erklärt Projektleiter Prof. Dr. Fangmeier. „Das ist eine technische Versuchsanordnung, mit der wir bereits heute im Freiland den Einfluss einer zukünftigen, erhöhten CO2-Konzentration auf die landwirtschaftliche Produktion untersuchen können.“
Dafür wird CO2 je nach Windrichtung und -stärke über dünne Leitungen direkt in die Pflanzenbestände abgegeben, so dass künftige CO2-Konzentrationen entstehen. Das Mikroklima, also Wind, Sonnenstrahlung und Verdunstung, beeinflusst FACE nicht.
Weizen dient als Modellpflanze
Als Modellpflanze nutzen die Forscher zwei sehr unterschiedliche Weizensorten: die qualitativ hochwertige Sorte Triso und die auf Ertrag gezüchtete Sorte Tybalt. Triso fand auch bereits in den vorhergehenden Versuchen Verwendung. Nun wollen die Wissenschaftler untersuchen, wie die Nährstoffe in den Pflanzen bei heutigen und künftigen CO2-Konzentrationen aufgenommen und verteilt werden.
Dazu führen sie Messungen zum Wasserhaushalt, zum Saftfluss und zur Fotosynthese-Leistung der Pflanzen durch. Sie bestimmen, wie Kohlenstoff und Stickstoff in der Pflanze verteilt werden, analysieren die Inhaltsstoffe und können so ermitteln, wie sich ein erhöhter CO2-Gehalt auf die Qualität des Weizens auswirkt.
Back- und Verarbeitungsqualität des Weizens sinkt
„Die Backfähigkeit von Weizen hängt in erster Linie vom Proteingehalt und von der Zusammensetzung der Proteine im Mehl ab“, erläutert Prof. Dr. Fangmeier. „Wir haben festgestellt, dass eine CO2-Erhöhung in der Atmosphäre den Proteingehalt im Weizen reduziert. Auch der Gehalt an Gluten, das als Kleberprotein für gute Backfähigkeit sorgt, sinkt durch mehr CO2.“
Die Zusammensetzung der Proteine verändert sich ebenfalls, und damit auch die Verarbeitungsqualität. Die veränderten Mengenverhältnisse bestimmter Proteine reduzieren unter anderem das Teigvolumen von Gebäckstücken. „Es könnte daher notwendig werden, in Zukunft die Verarbeitungskette an diese Verhältnisse anzupassen“, empfiehlt PD Dr. Högy.
Sinkende Nährstoffgehalte verschärfen Problem der Fehlernährung
Aus ernährungsphysiologischer Sicht schlagen vor allem sinkende Nährstoffgehalte zu Buche. „Nach unseren Erkenntnissen sinken bei höheren CO2-Konzentrationen die Gehalte an Calcium, Eisen, Magnesium und Zink im Weizen“, berichten die Experten.
Darüber hinaus seien auch die Konzentrationen der Aminosäuren um bis zu 11 Prozent verringert. „Doch Weizen stellt in vielen Regionen dieser Erde ein wichtiges Grundnahrungsmittel dar. Das Problem der Fehlernährung könnte sich also in Zukunft noch erheblich verstärken“, warnt Prof. Dr. Fangmeier.
Ergebnisse fließen in Modelle ein
Modifiziert werden diese CO2-Effekte, wenn auch noch klimatische Extreme dazu kommen, also beispielsweise eine Hitzewelle vor der Blüte oder während der Kornfüllung. „Darüber fehlen uns bislang noch grundlegende Erkenntnisse“, meint Prof. Dr. Fangmeier.
Das Projekt gewinnt daher zunächst einmal Daten zu Ertrag und Qualität der Modellpflanze. Hinzu kommen weitere Messungen aus vorherigen Experimenten, auch zu den Folgen von Extremereignissen sowie Praxisdaten von Landwirten auf der Schwäbischen Alb und im Kraichgau.
All diese Werte gehen dann an die Verbundpartner der Forschergruppe „Regionaler Klimawandel“, in die das Projekt eingebunden ist. Die Partner werden die Daten umfassend analysieren. „Die Modelle, die sie entwickeln und validieren, sollen dann noch genauere Prognosen zulassen, wie sich der Klimawandel auf Kulturpflanzen auswirkt“, stellt PD Dr. Högy in Aussicht.
Hintergrund des Projektes
„Prozessverständnis von CO2-induzierten Mechanismen für Ertrag und Ertragsqualität ausgewählter Weizengenotypen im Feld“ ist der Titel des am 1.2.2015 gestarteten Projektes unter der Leitung von Prof. Dr. Andreas Fangmeier. Es schließt sich an eine erste Phase von 2012 bis 2015 an, in der der Fokus auf den Versuchen in den Klimakammern lag. Die laufende Projektphase ist ebenfalls auf drei Jahre ausgelegt. Die DFG fördert diese Phase des Projekts mit 301.343 Euro. Sie ist eingebunden in die Forschergruppe 1695 „Regionaler Klimawandel“.
Homepage: https://klimawandel.uni-hohenheim.de/projekt-p4
Hintergrund: Forschergruppe Regionaler Klimawandel (FOR 1695)
Ziel der Forschergruppe 1695 'Regionaler Klimawandel' ist es, die Folgen des globalen Klimawandels für Agrarlandschaften auf einer regionalen Skala zu untersuchen und Prognosen für ihre Entwicklung bis 2030 abzuleiten.
Die Forschergruppe gliedert sich in neun wissenschaftliche Projekte, die sich den fünf Bereichen Landoberfläche-Atmosphäre-Wechselwirkungen, Boden, Ertragsqualität, Sozioökonomie und Integration zuordnen lassen.
Nach einer ersten Förderphase von 2012 bis 2015 mit 2,5 Mio. Euro Förderung verlängerte die DFG um weitere drei Jahre mit einer Förderung von 2 Mio. Euro.
Homepage: https://klimawandel.uni-hohenheim.de
Hintergrund: Schwergewichte der Forschung
31,2 Millionen Euro an Drittmitteln akquirierten Wissenschaftler der Universität Hohenheim 2015 für Forschung und Lehre. In loser Folge präsentiert die Reihe „Schwergewichte der Forschung“ herausragende Forschungsprojekte mit einem finanziellen Volumen von mindestens 250.000 Euro bei den Experimental- bzw. 125.000 Euro bei den Sozial- und Gesellschaftswissenschaften.