Energiesparendes Bauen hat in Deutschland eine lange Tradition. Seit über 40 Jahren ist das Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP in dieser Hinsicht europaweit eine der ersten Adressen. Seinen Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen ist es zu verdanken, dass Gebäude inzwischen in der Lage sind, im Laufe eines Jahres mehr Energie zu erzeugen als sie und ihre Bewohner verbrauchen. Dazu zählt der sogenannte »Effizienzhaus Plus- Standard«. Seit seiner Initiierung vor fünf Jahren ist es in großem Maßstab gelungen, unterschiedliche Lösungen zu optimieren und so Effizienzhaus-Plus-Gebäude auf breiter Front umzusetzen. Mit Erfolg ist dieser Standard aktuell auch in der Gebäudesanierung und im mehrgeschossigen Wohnungsbau verwirklicht worden. Das neu aufgelegte Programm der Bundesregierung »Bildungsbauten im Effizienzhaus Plus Standard« überträgt die Idee nun auf den Nichtwohnungsbau.
Der Effizienzhaus-Plus-Standard ist nicht an bestimmte Techniken und Verfahrensweisen gebunden, sondern lässt den technologischen Ansatz offen. Jedes Konzept kommt hinsichtlich Effizienz und Wirtschaftlichkeit auf den Prüfstand. »Schon im frühen Entwurfsstadium eines Gebäudes stellen Planer und Architekten die Weichen für energie- und flächensparendes, ökologisches und ökonomische Bauen«, sagt Hans Erhorn, Leiter der Abteilung Energieeffizienz und Raumklima des Fraunhofer IBP. »Technologien mit höchster Energieeffizienz und Wirtschaftlichkeit bringen uns weiter in Richtung Klimaneutralität. Wir konnten dank der Förderinitiative des Bundes erreichen, dass Wohngebäude mit Effizienzhaus Plus-Standard zu attraktiven Preisen auf dem Markt erhältlich sind«, ergänzt der Wissenschaftler. Erfahrungen aus vielen Pilotprojekten belegen, es gibt mehrere Wege zur Erreichung des ehrgeizigen Ziels der Bundesregierung, den Gebäudebestand in Deutschland bis 2050 klimaneutral zu gestalten. »Die zusätzlich gewonnene Energie gewährt uns Spielraum für ganz neue Lösungsansätze, die sich auf Quartiere und ganze Städte übertragen lassen«, fügt Hans Erhorn an. »Neben der erwirtschafteten überschüssigen Energie sind uns aber auch die Bewohner und die Rücksicht auf ihre Bedürfnisse und Bedenken ein besonderes Anliegen. Deshalb bewohnen Testfamilien bundesweit verschiedene Plusenergiehäuser. Wir wollen herausfinden, was gut läuft und wo es Verbesserungsbedarf gibt.«
Gegenüber konventioneller Bauweise fußt der Effizienzhaus Plus-Standard auf drei Säulen: hohe Energieeffizienz, geringer Energiebedarf und Einsatz erneuerbarer Energien. Ein kompakter Baukörper, der sich durch eine optimale Orientierung auszeichnet, Wärmeschutzsysteme für die Gebäudehülle bis hin zu einer qualitativ hochwertigen wärmebrückenfreien Verarbeitung ergänzen die Bausteine, die für eine hohe Energieeffizienz ausschlaggebend sind. Zudem erhöhen niedrige Systemtemperaturen, kurze Leitungen, bedarfsgesteuerte Heiz-, Lüftungs- und darin verbaute Wärmerückgewinnungssysteme sowie moderne Abwassersysteme signifikant den energetischen Wirkungsgrad. Haushaltsgeräte mit der bestmöglichen Energieeffizienzklasse und eine bedarfsangepasste Raumbeleuchtung erweitern den Maßnahmenkatalog um weitere Komponenten.
Die erneuerbaren Energien lassen sich beispielsweise durch passive Solargewinne über die Fenster oder aktiv über Solarkollektoren, Geothermie oder Umweltwärme unmittelbar in Gebäudenähe gewinnen. Das »Plus« bringen stromerzeugende Photovoltaik- oder Kleinwindkraftanlagen. Vorrangig erfolgt eine Zwischenspeicherung der Überschüsse für die spätere Eigennutzung und nur geringe Überschüsse kommen zur Einspeisung ins Netz der Energieanbieter. Die bautechnische Vielfalt der Effizienzhäuser Plus ist groß. Dies gilt auch für deren Gebäudetechnik. Entscheidend ist, dass die Anlagen für ihre zu leistenden Aufgaben wie Bereitstellung von Raumwärme und gegebenenfalls Kühlung, Warmwasser, Frischluft und Licht möglichst wenig Energie benötigen und dass diese vor Ort aus erneuerbaren Quellen generiert wird.
Ein bundesweites Netzwerk starker Partner aus der bau- und anlagentechnischen Industrie bündelt seine Kompetenzen und vervielfacht diese Gebäudekonzepte mittlerweile erfolgreich am Markt. Verschiedene Forschungseinrichtungen unterziehen die Bauten einem intensiven Monitorprogramm, in dem die wesentlichen Parameter wie Heizenergie- und Stromverbrauch, Stromgewinnung, Eigennutzungsgrad der Erneuerbare Energien, Primärenergieverbrauch sowie Behaglichkeitsparameter geprüft werden. Als letzte und ausschlaggebende Instanz nimmt das Fraunhofer IBP eine Querauswertung aller Ergebnisse vor. Das Fraunhofer IBP präsentiert die aktuellen Ergebnisse online auf der Projekthomepage www.forschungsinitiative.de/effizienzhaus-plus/.