Flügelschlag gegen Sturmböen

Strömungsforscher gehen den Geheimnissen des Hummelfluges auf den Grund

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Der Sommer ist da und bringt auch für die Bienen ein großes Nahrungsangebot. Sie setzen zu akrobatischen Flugkunststückchen an, fliegen wendig vorwärts, rückwärts, seitwärts, auf und ab, ändern ständig Richtung und Geschwindigkeit – und trotzen auch stärkeren Windturbulenzen. Der Anblick erfreut nicht nur Naturliebhaber, auch Ingenieure und Biologen widmen den Geheimnissen des Insektenflugs derzeit erhebliche Aufmerksamkeit. Das wachsende Interesse wird gespeist vom Trend zu immer stärkerer Miniaturisierung unbemannter Flugobjekte. Wie gelingt diesen kleinen Lebewesen der tausendfache, kontrollierte Flügelschlag? Welche Turbulenzen erzeugen sie mit diesem Flügelschlag selbst, um die entstehenden Luftbewegungen zur Steuerung und Energieeinsparung auszunutzen und sie mit den vorhandenen Windbewegungen zu koordinieren? Deutsche, französische und japanische Forscher haben nun in der bislang aufwendigsten Computersimulation über die kleinen Flugkünstler weitere Antworten gefunden. Beteiligt ist das TU-Institut für Strömungsmechanik und Technische Akustik.

„Es hat sich gezeigt, dass Hummeln und andere Insekten auch in stark turbulenten Strömungen die gleichen mittleren Kräfte produzieren wie in ungestörter Luft, anders als Flugzeuge, wo Turbulenz die Kräfte signifikant ändern kann“, erklärt Dr. Thomas Engels, Projektleiter am Fachgebiet Numerische Fluiddynamik, das von Prof. Dr. Jörn Sesterhenn geleitet wird. „Unsere Arbeit hat gezeigt, dass das Wirbelsystem, mit dem Insekten ihren Auf- und Vortrieb erzeugen, auch in starker Turbulenz stabil bleibt.“ 

Detaillierte Computersimulation zeigt Reaktion auf Turbulenzen 

Alle kleinen Flugkörper, auch die menschengemachten, stehen vor der Herausforderung, draußen in einer instabilen Umgebung zu fliegen. Wissenschaftler suchen daher nach einer bio-inspirierten Alternative zum klassischen Flugzeug mit fixierten Flügeln und Rotoren. Der Nachbau von flatterfähigen Insektenflügeln wäre eine solche Alternative. So versprechen sich die Wissenschaftler viel von den Erkenntnissen aus der Computersimulation, denn: „Es ist von großer Bedeutung, zu wissen, wo die Schwierigkeiten beim Fliegen in Turbulenz liegen und wie Insekten dieser Herausforderung begegnen“, so Thomas Engels. „Vor allem wollen wir anhand des Hummelfluges das Rätsel lösen, welche Turbulenzen Instabilitäten beim Flug auslösen und wie man sie kontrollieren kann. Hochgenaue numerische Simulationen stellen hierfür ein ideales Werkzeug dar. Sie ermöglichen einen sehr detaillierten Einblick unter genau kontrollierten Bedingungen.“

Die detaillierte Computersimulation hat schon jetzt erwiesen, dass Turbulenzen, also überraschend auftretende Verwirbelungen, eine andere Auswirkung auf flatternde Insekten haben als auf fest eingebaute und von Menschen designte Flugzeugflügel. Letztere sind aerodynamisch profiliert, sodass die Luft auf der Oberseite schneller strömt als auf der Unterseite. Die Flügel von Insekten hingegen sind flach und haben kein nennenswertes Profil. Auf den schlagenden Flügeln bilden sich kleine Wirbel, sozusagen Mini-Tornados, die sich mit dem Flügel mitbewegen und den Druck auf seiner Oberseite senken, was den Auftrieb erhöht. Bei aerodynamischen Profilen, insbesondere bei kleinen Fliegern, rufen schon kleine turbulente Störungen signifikante Änderungen in den Auf- und Vortriebskräften hervor. Die Frage war nun, ob der Wirbel, den Insekten zum Fliegen benutzen, ebenso empfindlich reagieren kann. „Unsere Simulationen zeigen, dass dies nicht der Fall ist“, so Thomas Engels. Diese Robustheit könne somit als ein weiterer Vorteil des Schlagfluges gesehen werden und gebe der Entwicklung insekteninspirierter bionischer Flugroboter weiteren Auftrieb. Gefördert wird das Projekt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Agence Nationale de la Recherche. 

Thomas Engels hat sich bereits in seiner Dissertation mit den Fortbewegungsarten sowohl von Fischen im Wasser als auch von fliegenden Insekten befasst. Diese Tiere haben unterschiedlichste Methoden entwickelt, um Flüssigkeiten und Luft durch Bewegungen ihrer Extremitäten, ihrer Flossen und Flügel, sogar des ganzen Körpers so zu beeinflussen, dass die Umgebung ihre Fortbewegung unterstützt.

Zusammen mit Jörn Sesterhenn und drei weiteren Autoren veröffentlichte Thomas Engels die ersten Ergebnisse der Forschung in dem Artikel „Bumblebee Flights in Heavy Turbulence“ im „Physical Review Letter“ 116 (2016), 028103.

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