Während die Energiewende im Stromsektor voranschreitet, hinkt die Energiewende im Gebäudesektor hinterher. Eine Studie des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie zeigt nun auf, woran das liegt: Das zentrale Steuerungselement für Energieeffizienz in Gebäuden, die Energieeinsparverordnung (EnEV), richtet sich nicht am Klimaschutz, sondern an der künstlich geschaffenen Größe des Primärenergieverbrauchs aus. Die EnEV verfehlt damit ihre Steuerungswirkung für den Klimaschutz. Eine Anpassung scheint nötig.
Der Primärenergieverbrauch ist oftmals nicht geeignet, die Treibhausgas-Emissionen eines Heizungssystems oder Gebäudes verlässlich zu bestimmen. Das ist das zentrale Ergebnis einer wissenschaftlichen Studie im Auftrag des Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) und der Brancheninitiative Zukunft ERDGAS. Die Formel zur Berechnung der Primärenergiefaktoren führt dazu, dass Primärenergiefaktoren, die Null betragen (Fernwärme), nahe Null liegen (Holz) oder perspektivisch gegen Null laufen (Strom), ihre Steuerungswirkung hin zu energieeffizienten Gebäuden verlieren. „Diese Formel ist ungeeignet und führt zu Fehlanreizen“, betonte der DVGW-Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. Gerald Linke. „Dieser Fehler muss so schnell wie möglich korrigiert werden.“ Zudem wird mit steigendem Anteil erneuerbaren Stroms für die Gebäudeheizung ein zusätzlicher Ausbau der Netze erforderlich, was im bisherigen Berechnungsschema ebenfalls nicht berücksichtigt ist.
Die Autoren der Studie „Konsistenz und Aussagefähigkeit der Primärenergiefaktoren für Endenergieträger im Rahmen der Energieeinsparverordnung“ kommen zu dem Schluss, dass die Primärenergiefaktoren ihre Lenkungswirkung im Hinblick auf Emissionsminderung und Energieeffizienz immer mehr eingebüßt hätten. Zudem würden Verbraucher derzeit tendenziell in teure Heizungstechnologielösungen (elektrische Wärmepumpen) mit geringen Beiträgen für den Klimaschutz gelenkt. „Der falsche Fokus auf künstlich errechnete Primärenergie statt auf echten Klimaschutz kommt einer staatlichen Verbrauchertäuschung gleich. Solange wir die Maßnahmen im Wärmemarkt nicht am Klimaschutz ausrichten, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn hinten kein Klimaschutz rauskommt“, erklärte Dr. Timm Kehler, Vorstand von Zukunft ERDGAS.
Die Studienautoren skizzieren verschiedene Möglichkeiten, die Bewertung der Gebäudeeffizienz so zu verbessern, dass sie die Klimawirkung in den Mittelpunkt rückt. DVGW und Zukunft ERDGAS werden diese Vorschläge nun gemeinsam weiter ausarbeiten.
Download der Studie: www.zukunft-erdgas.info/politischer-rahmen/studien/primaerenergiefaktoren