In der Bundespolitik galt die Vorreiterrolle Deutschlands bei der Energieeffizienz lange als unumstößlich. 2014 wurde Deutschland vom amerikanischen Thinktank ACEEE zum „Weltmeister“ gekürt. Tatsächlich ist das Niveau der Energieeffizienz Deutschlands relativ gut, reicht im europäischen Vergleich aber nur für Platz 4 (siehe Tabelle 1). Dies ist das Ergebnis einer aktuellen Analyse, welche Experten des Fraunhofer Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) heute vorgestellt haben. Bei den Energieeffizienzfortschritten in den vergangenen Jahren stehen inzwischen andere europäische Länder an der Spitze (siehe Tabelle 2) – darunter Großbritannien, die Niederlande sowie einige mittel- und osteuropäische Mitgliedstaaten. Zwar waren auch Ausgangsniveau und Nachholbedarf vieler dieser Länder deutlich höher, doch für den Erfolg der deutschen Energiewende wäre eine jährliche Verbesserungsrate von 2 Prozent im Jahr notwendig, statt den bisherigen durchschnittlichen 1 Prozent. Deutschland liegt hier unter dem EU-Durchschnitt von 1,3 Prozent und damit auf Platz 18. Bei der Charakterisierung der bisherigen Energieeffizienzpolitik schneidet Deutschland hingegen gut ab und liegt auf Platz 3 hinter Bulgarien und Kroatien (siehe Tabelle 3).
Die Untersuchungen des Fraunhofer ISI im europäischen Rahmen mit dem Energieeffizienzindex ODEX zeigen außerdem deutliche Unterschiede in den Energieeffizienzfortschritten der einzelnen Sektoren zwischen 2000 und 2012. Dr. Wolfgang Eichhammer vom Fraunhofer ISI: „Deutschland steht im Haushaltsektor auf Platz 14, beim verarbeitenden Gewerbe auf Platz 24 und im Transportsektor auf Platz 5.“ Der ODEX ist eine Art „Dow Jones“ der Energieeffizienz und bündelt die Effizienzfortschritte in den verschiedenen Sektoren in einem Gesamtindikator. Vor allem im Industriesektor, führt Eichhammer aus, war die Entwicklung in Deutschland in den letzten 15 Jahren eher durch Strukturverschiebungen zu weniger energieintensiven Industrien gekennzeichnet, denn durch Effizienzfortschritte im eigentlichen Sinne, wie beispielsweise die energetische Optimierung von Industrieanlagen und Querschnittstechnologien wie Elektromotoren und deren Anwendung.
Ökonomische Potenziale für weitere Verbesserungen der Energieeffizienz sind laut Eichhammer durchaus vorhanden: „Bis 2030 könnte die Energienachfrage im Vergleich zu heute noch um 25% vermindert werden. Dies ist auch nötig, wenn bis Mitte des Jahrhunderts, wie im Energiekonzept gefordert, der Primärenergiebedarf halbiert werden soll. Hierzu bedarf es weiterer substantieller Anstrengungen der Politik.“ Auch Steven Nadel, Direktor des American Council for an Energy Efficient Economy (ACEEE), das letzten Sommer mit seiner Internationalen “Score Card” den Spitzenplatz unter den 16 größten Wirtschaftsräumen der Welt an Deutschland vergab, räumt ein: „Deutschland und die Europäische Union sind sozusagen einäugige Energieeffizienzkönige unter den Blinden. Von möglichen 100 Punkten für Energieeffizienz wurden in Deutschland nur 65 erreicht. Das zeigt, dass noch Luft nach oben ist, Energieeffizienz wirtschaftlich voranzutreiben.“
Umso wichtiger ist es, dass die mit dem Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE) Ende Dezember 2014 beschlossenen Politikvorhaben schnell umgesetzt werden – sowohl aus Sicht der Wissenschaftler als auch deutscher Unternehmen, die als Anbieter von Energieeffizienzdienstleistungen und -produkten gut aufgestellt sind. Christian Noll, geschäftsführender Vorstand der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V. (DENEFF): „Die globale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands profitiert enorm von einer konsequenten Umsetzung der beschlossenen Energieeffizienzvorhaben – sowohl als Energieverbraucher als auch Anbieter von Energieeffizienzlösungen. Damit wir wieder Energieeffizienzweltmeister werden und es langfristig bleiben, braucht es aber eindeutig mehr Planungssicherheit und höchste politische Priorität für Energieeffizienz.“
Quelle: DENEFF