Strahlenexposition in Gebäuden

Nachweispflicht bei mineralischen Baustoffen

Deutsches Ingenieurblatt 6/2019
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Baustoffe

Mineralische Baustoffe können von Natur aus radioaktiv sein und in Gebäuden signifikante Strahlenexpositionen auslösen. Mit dem Inkrafttreten der novellierten Strahlenschutzverordnung zum 31. Dezember 2018 unterliegen bestimmte mineralische Baustoffe einer regulatorischen Überwachung. Sie müssen radiometrisch analysiert werden, um nachzuweisen, dass der Aktivitätsindex unterschritten wird. Betroffen von der Gesetzesänderung sind alle Unternehmen, die in diesem Fachbeitrag näher beschriebene mineralische Bauprodukte herstellen und/oder in Verkehr bringen.

Bauprodukte, die aus bestimmten mineralischen Primärrohstoffen oder Rückständen hergestellt werden, sind von Natur aus radioaktiv. In den Materialien vorhandene und aus ihnen freigesetzte Radionuklide können zu einer Strahlenexposition der Bevölkerung führen. Sie nimmt zu, wenn betroffene Bauprodukte innerhalb von Gebäuden verwendet werden, beispielsweise für den Ausbau von Aufenthaltsräumen. In diesem Zusammenhang sind die Radionuklide aus den radioaktiven Zerfallsreihen von Uran-238 und Thorium-232 sowie Kalium-40 von zentraler Bedeutung. Die Strahlenexposition der Bevölkerung verläuft über zwei unterschiedliche Wege. Zum einen ist es die von außen auf den Körper wirkende Gammastrahlung, die von den in den Bauprodukten enthaltenen Radionukliden ausgeht. Ein zweiter möglicher Weg führt über das Einatmen des aus den Materialien freigesetzten Gases Radon-222 und seiner kurzlebigen ebenfalls radioaktiven Zerfallsprodukte.

Ab 2019 unterliegen bestimmte mineralische Baustoffe einer regulatorischen Über wachung. Grund dafür ist die Novelle des Strahlenschutzgesetzes (StrlSchG) und das Inkrafttreten der novellierten Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) zum 31. Dezember 2018. Die Folge: Betroffene Baustoffe müssen radiometrisch untersucht werden. Zudem ist nachzuweisen, dass sie den sogenannten Aktivitätsindex unterschreiten. Der Aktivitätsindex ist ein normiertes Maß für die vom jeweiligen Baustoff ausgehende Direktstrahlung – bezogen auf die zulässige Jahresdosis von 1 Millisievert pro Kalenderjahr (mSv/a). Betroffen von der Gesetzesänderung  ind Hersteller und Inverkehrbringer von mineralischen Bauprodukten.

Bauprodukte im Sinne des StrlSchG sind Baustoffe, Bausätze, Bauteile und Anlagen, die hergestellt werden, um dauerhaft als Wand-, Boden- oder Deckenkonstruktionen – einschließlich deren Bekleidungen – in Aufenthaltsräumen von Gebäuden eingebaut zu werden. Kleinflächig und in geringen Volumina verwendete Fertigprodukte, wie zum Beispiel Flickmörtel und Verfugungen, sind hingegen keine Bauprodukte (§ 5 Absatz 6).

Welche Baustoffe unterliegen der Kontrolle?
Durch die Gesetzesänderung sind folgende mineralische Primärrohstoffe radiologisch zu analysieren: saure magmatische Gesteine, so zum Beispiel Granit, sowie daraus entstandene metamorphe und sedimentäre Gesteine, aber auch Sedimentgesteine mit hohem Anteil organischer Substanz, wie Öl-, Kupfer- und Alaunschiefer sowie Travertin (Anlage 9 StrlSchG). Baustoffe, die aus bestimmten Rückständen hergestellt werden,müssen ebenfalls radiologisch untersucht werden. Dazu zählen Kiese, Sande, Harze und Kornaktivkohle aus der Grundwasseraufbereitung, aber auch Schlämme und Ablagerungen aus der Gewinnung, Verarbeitung und Aufbereitung von Erdöl und Erdgas und aus der Tiefengeothermie. Eine weitere umfangreiche Gruppe von Rückständen bilden Nebengesteine, Schlacken und Stäube aus der Gewinnung und Aufbereitung von metallischen und anderen mineralischen Rohstoffen. In Anlage 1 StrlSchG sind alle betroffenen Rückstände aufgelistet.

Aktivitätsindex ist maßgebend
Bauprodukte dürfen nur dann uneingeschränkt in Verkehr gebracht werden, wenn die von ihnen ausgehende Exposition derBevölkerung den in § 133 StrlSchG festgelegten Referenzwert für die Dosis von 1 mSv/a nicht überschreitet. Dazu ist die Bestimmung der spezifischen Aktivitäten der Radionuklide Radium-226, Thorium-232 oder seines ZerfallsproduktsRadium-228 und Kalium-40 in  der Einheit Becquerel pro Kilogramm (Bq/kg)erforderlich (§ 134 StrlSchG). Darüber hinaus  müssen auch weitere baustoffspezifische Eigenschaften berücksichtigt werden. Dazu zählen die Dichte, die Flächendichte und dieDicke des Materials. Gemäß der in Anlage 17  StrlSchV festgelegten Berechnungsformel, in die alle hier genannten Messwerte einfließen,  ird der Aktivitätsindex des Baustoffs ermittelt. Ist dieser kleiner oder gleich 1, gilt der Referenzwert für die Dosis als eingehalten.

Überschreitung wird meldepflichtig Ist der Aktivitätsindex größer als 1, ist davon auszugehen, dass die von dem mineralischen Primärrohstoff verursachte Strahlung den Referenzwert von 1 mSv/a überschreitet. Dann müssen Hersteller oder Inverkehrbringer die zuständige Behörde darüber unverzüglich in Kenntnis setzen. Die Behörde kann innerhalb eines Monats nach Eingang der Information Maßnahmen anordnen, die zur Einhaltung des Referenzwerts notwendig sind oder die Verwendung des Bauprodukts zur Herstellung von Gebäuden mit Aufenthaltsräumen untersagen (§ 135 Absatz 2 und 3 StrlSchG). Der Verpflichtete hat den Bauherrn, den Entwurfsverfasser und den Unternehmer im Sinne der jeweils anwendbaren Landesbauordnung hinsichtlich der getroffenen Einschränkungen zu informieren. Sind diese Personen nicht bekannt,ist das Bauprodukt mit Begleitpapieren  zu versehen, aus denen die Verwendungseinschränkungen hervorgehen (§ 135 Absatz 4 StrlSchG).

Hohe Werte bei Graniten und verwandten Gesteinen
Durch den relativ hohen Uran-, Thorium-, und Kaliumgehalt besitzen Granite im Vergleich mit anderen Gesteinen eine höhere natürliche Radioaktivität. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hat mit Unterstützung des Deutschen Naturwerkstein-Verbands e.V. eine Reihe marktgängiger Fliesen und anderer Plattenmaterialien unterschiedlicher Herkunft auf die Gehalte natürlicher Radioaktivität untersucht und aus Sicht des Strahlenschutzes bewertet. Die höchsten Gehalte – vor allem in Bezug auf Kalium-40 – wurden in Graniten, porphyrischen Graniten, metamorph überprägten Graniten – sogenannten Gneisen – und Granodioriten ermittelt (Abb. 1). Deutlich geringer sind die Gehalte in anderen magmatischen Gesteinen (Gabbros und Basalte) und in bestimmten Gesteinen sedimentären Ursprungs, wie beispielsweise Kalk und Marmor. Die sich aus den normierten Aktivitätsindices ergebenden Strahlendosen lagen bei der Mehrzahl der untersuchten Gesteinsproben unterhalb von 1 mSv/a, bei manchen Proben aber auch deutlich über 2 mSv/a. Die letztgenannten Materialien wären damit für die Verwendung in Gebäuden mit Aufenthaltsräumen im Innenbereich meldepflichtig. 

Kritische Materialien rechtzeitig identifizieren
Die radiometrische Analyse hilft Herstellern und Inverkehrbringern von mineralischen  Bauprodukten, kritische Materialien rechtzeitig zu identifizieren. Denn im ungünstigsten Fall müssten bereits verbaute Bauprodukte wieder entfernt und durch unkritische Materialien ersetzt werden, was mit erheblichem Aufwand und hohen Kosten verbunden wäre. So sind auch Gewährleistungsansprüche abzuwehren, die durch den Einbau von – aus radiologischer Sicht – unzulässigen Geomaterialien entstehen könnten.

Die TÜV Süd Industrie Service GmbH verfügt über akkreditierte und umfangreich ausgestattete Messlabore für die Radiometrie von Baustoffen (Abbildungen 2, 3 und 4). Erfahrene Experten analysieren dort die natürliche Radioaktivität in mineralischen Matrices. Auf Anfrage hin geben sie zudem Auskunft über den Aktivitätsindex und über zusätzliche Eigenschaften der Primärrohstoffe wie Festigkeit oder Lebensdauer. Konformitätserklärungen und Nachweise hinsichtlich der neuen Strahlenschutzgesetzgebung für Hersteller, Händler und Importeure sind weitere Leistungen.

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