Ingenieur- und Architektenmangel belastet weiterhin die Branche

Jahresumfrage zur wirtschaftlichen Lage der Ingenieure und Architekten

Deutsches Ingenieurblatt 3/2021

Die Resonanz war beachtlich: Zwischen Mitte April und Ende Juli 2020 gingen beim IFB rund 1100 ausgefüllte Fragebögen ein. Die „Umfrage zur wirtschaftlichen Lage der Ingenieure und Architekten“ wurde für das Berichtsjahr 2019 vom Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung e.V. (AHO), der Bundesingenieurkammer (BIngK) und dem Verband Beratender Ingenieure (VBI) beim Institut für Freie Berufe (IFB) an der Universität Erlangen-Nürnberg in Auftrag gegeben.

Die Ingenieur- und Architektenbüros ließen es sich damit auch im angespannten Corona-Jahr 2020 nicht nehmen, an der traditionellen Jahresumfrage zur Lage in der deutschen Planerlandschaft teilzunehmen – und damit wertvolles Datenmaterial zur Entwicklung der Branche zu liefern. Das ist eine gute Nachricht. Denn daraus ergibt sich ein großer Vorteil: Die Datenbasis für Jahresvergleiche und berufspolitische Analysen, unverzichtbar für die Positionierung der Planungsbüros im politischen Raum, wird somit jedes Jahr breiter, vergleichbarer und damit im Zeitablauf aussagekräftiger. Bei der Auswertung der Studie ist jedoch zu berücksichtigen, dass gut 80 Prozent der beantworteten Fragebögen aus Ingenieurbüros stammen, nur jeder fünfte Rückläufer kam von einem Architektenbüro.

Ingenieurbüros oft größer
Zunächst fällt beim Blick auf die Rechtsform der Unternehmen auf, dass der größte Teil der deutschen Planungsbüros als Einzelunternehmen am Markt agiert: Knapp 40 Prozent der Ingenieure, nahezu 60 Prozent der Architekten. Bei den Ingenieurbüros liegen die Personengesellschaften (42,5 Prozent) in etwa gleichauf mit den Einzelunternehmen, unter den Architekten (20,2 Prozent) sind sie hingegen nicht so weit verbreitet. Etwa jedes fünfte Planungsbüro wählt die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft, wobei hier kaum ein Unterschied zwischen Architekten- und Ingenieurbüros auszumachen ist.

Neben der Rechtsform prägt die Unternehmensgröße als zweites zentrales Strukturmerkmal die Branche. Die meisten Architektenbüros beschäftigen zwischen zwei und fünf Mitarbeiter im Unternehmen, die dominierende Betriebsgröße unter den Ingenieurbüros beziffern die Forscher mit zehn bis 50 Beschäftigten. Gut 80 Prozent der Architektenbüros bleiben hingegen in einer Größenordnung von höchstens zehn Mitarbeitern. Ingenieurbüros sind in der Tendenz somit oft größer.

Das bestätigt auch der Blick auf Unternehmen mit mehr als 50 oder 100 Mitarbeitern – hier sind überwiegend die Ingenieurbüros zu finden. Einzelkämpfer jedoch gibt es hier wie dort gleichermaßen: Jeder fünfte Ingenieur und Architekt tritt als inhabergeführtes Einzelbüro am Markt auf. Fazit: Ähnlich der strukturellen Zusammensetzung im Vorjahr zeigt sich, dass über die Hälfte der teilnehmenden Büros in einer Größenordnung von bis zu fünf tätigen Personen zu verorten ist.

Ingenieure und Architekten gesucht
Angesichts der 2019 und auch Anfang 2020 noch stabilen Auftragslage ist nach wie vor der Personalmangel ein zentrales Problem: Die bereits 2017 sichtbare Entwicklung des Personalbedarfs hin zu einem Mehrbedarf von Architekten, Ingenieuren und technischen Mitarbeitern setzt sich auch in der aktuellen Befragung fort. So rechnen vier von zehn Ingenieurbüros im kommenden Jahr mit einer höheren Nachfrage nach festangestellten Ingenieuren. Die Situation bei den Architektenbüros stellt sich ähnlich dar – hier rechnen fast 20 Prozent der Befragten mit einer steigenden Nachfrage nach Ingenieuren. Festangestellte Architekten werden auch gesucht: Jedes zehnte Ingenieurbüro und nahezu ein Drittel der Architektenbüros will in diesem Jahr mehr Architekten einstellen. Für den Bereich der technischen Mitarbeiter gaben immerhin rund 30 Prozent der Ingenieur- und 20 Prozent der Architektenbüros an, mit einer Personalaufstockung in diesem Jahr zu rechnen. Für nahezu alle Beschäftigtengruppen, seien es Auszubildende, kaufmännische Angestellte oder auch freie Mitarbeiter, lässt sich die deutliche Tendenz feststellen, dass die Planerbüros eher Personal aufstocken, denn abbauen. Das ist bemerkenswert, weil die Umfrage während der ersten Welle der Corona-Pandemie im April begann, in einer Zeit ungewisser Zukunftsaussichten. Zugleich aber gingen zwischen sechs und 16 Prozent der Befragten von einem geringeren Personalbedarf für 2021 aus. „In den Prognosen spiegelt sich bereits die Corona-Pandemie wider”, hält der AHO fest.

Insgesamt gaben 57,6 Prozent der Befragten an, in ihrem Büro keine freien Mitarbeiter zu beschäftigen. Knapp jedes fünfte Büro setzt indes einen einzigen Freiberufler ein, ein weiteres Fünftel setzt auf zwei bis fünf. Die Zahl der freien Beschäftigten zur Bewältigung von Projekten oder Auftragsspitzen wächst naturgemäß mit der Bürogröße: Mehr als fünf externe Mitarbeiter auf freiberuflicher Basis finden sich nur in Großbüros.

Gehälter wachsen stetig
Mit Blick auf die Gehälter kann im Vergleich zum Vorjahr für alle Gruppen und Erfahrungsstufen ein leichter Anstieg verzeichnet werden. Berufseinsteiger unter den Ingenieuren verzeichneten ein Gehaltsplus von 3,8 Prozent, sie verdienten im Durchschnitt 42.307,- Euro brutto im Jahr. Architekten mit ein bis zwei Jahren Berufserfahrung verdienten zwar mit 38.580,- Euro etwas weniger, ihr Plus gegenüber dem Vorjahr fiel mit 4,2 Prozent indes etwas höher aus. Berufserfahrung zahlte sich aus: Ingenieure mit mehr als zehn Jahren im Job verdienten zuletzt 63.857,- Euro (Vorjahr: 62.312 Euro,-), erfahrene Architekten kamen auf ein Bruttojahressalär von 57.613,- Euro (Vorjahr: 55.897,- Euro). Im Zeitablauf zeigt sich, dass die Gehälter für beide Berufsgruppen seit 2013 nahezu durchgängig gestiegen sind. Berufseinsteiger verdienen heute im Jahr rund 5.000,- Euro mehr als 2013. Erfahrene Architekten verbuchen ein Jahresplus von fast 10.000,- Euro. Ingenieure mit mehr als zehn Jahren Berufserfahrung kommen auf ein Jahresplus von 6.000,- Euro. Insgesamt betrachtet zeigt sich jedoch, dass die Gehälter in der Planungsbranche nach wie vor im unteren Drittel der Gehälter in anderen Ingenieurberufen liegen.

Personalkosten im Mittelpunkt
Mit den Gehältern ist zugleich der wesentliche Kostenfaktor der Planungsbüros angesprochen: 75 Prozent ihrer Gesamtkosten müssen Architekten- und Ingenieurbüros im Branchendurchschnitt für ihre Personalkosten ansetzen. Der Sachkostenanteil (einschließlich „sonstige Kosten”) nimmt sich mit rund 25 Prozent an den Bürokosten dagegen bescheiden aus. Die Kosten pro Projektperson liegen nach IFB-Berechnungen bei Ingenieurbüros (88.000,- Euro) spürbar höher als bei Architektenbüros (79.000,- Euro). Aus den abgefragten Datensätzen können die beteiligten Verbände auch die Gemeinkostenfaktoren für unterschiedliche Bürogrößen ermitteln. Fazit: Wenn der Gemeinkostenfaktor bezogen auf Projektpersonen betrachtet wird, zeigt sich ein mittlerer Wert von knapp 2,7. Auch hier zeigen sich wiederum bekannte Zusammenhänge: Es ist eine deutliche Schwankung zwischen den Bürogrößen zu erkennen. Ein-Mann-Büros weisen hier einen Gemeinkostenfaktor von 2,06 aus, Kollegen in Büros mit mehr als 50 und bis zu 100 tätigen Personen liegen bei einem Wert von 2,99.

Interessant für die Büros ist insbesondere auch die Entwicklung des Bürostundensatzes. Dieser kletterte im Durchschnitt von 86,25 Euro im Jahr 2015 auf 108,32 Euro im Jahr 2019. Den Berechnungen liegen ein Ingenieur mit mehr als zehn Jahren Berufserfahrung und der Gemeinkostenfaktor eines Großbüros mit 50 bis 100 Mitarbeitern zugrunde. Grundsätzlich gilt: Die Kosten für Ingenieure sind höher als die für Architekten. Je nach Bürogröße und -ausrichtung müssen ihre Arbeitgeber pro Jahr (ohne Fremdleistungen) zwischen 66.000,- und 82.000,- Euro für einen Ingenieur kalkulieren. Bei Architekten bewegt sich der Vergleichswert zwischen 63.000,- und 70.000,- Euro.

Solide Umsätze
Ingenieurbüros erwirtschaften im Berichtsjahr 2019 fast 97.000,- Euro Umsatz je Beschäftigten. Bei Architektenbüros fällt der Umsatz je Mitarbeiter mit weniger als 82.000,- Euro spürbar geringer aus. Hierbei muss allerdings berücksichtigt werden, dass kaum Angaben größerer Architekturbüros vorliegen, das schränkt die Vergleichbarkeit der Zahlen etwas ein.

Honorarordnung spielt eine
wichtige Rolle

Von besonderer Relevanz für die Planungsbüros ist die Frage, nach welchen Modalitäten sie Leistungen für ihre Kunden abrechnen. Die HOAI ist das grundlegende gesetzliche Regelwerk für die Honorarberechnung. Deshalb stellt sich die Frage, wie viele Büros ihre Leistungen innerhalb und wie viele außerhalb der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) abrechnen. Ein gutes Fünftel der Ingenieurbüros gab an, keinerlei Einnahmen außerhalb der HOAI zu fakturieren. Bei Architekten lag der Vergleichswert bei nahezu einem Drittel. „Das verdeutlicht die nach wie vor ungebrochene Bedeutung der HOAI“, bilanziert der AHO. Nur 30 Prozent der Ingenieure und 35 Prozent der Architekten rechnen bis zu einem Viertel ihrer Einnahmen außerhalb der HOAI ab. Während nur sechs Prozent der Architekten mehr als drei Viertel ihrer Einnahmen außerhalb der HOAI generieren, machen mit 26 Prozent deutlich mehr Ingenieure von dieser Möglichkeit Gebrauch.

Neun von zehn Büros im Plus
Mehr als 90 Prozent der befragten Büros verbuchten im Jahr 2019 einen Gewinn, lediglich acht Prozent mussten einen Verlust hinnehmen. Fast 30.000,- Euro Gewinn pro Kopf vor Steuern erwirtschaften inhabergeführte Ein-Mann-Betriebe im Ingenieurbereich (Architekten: 23.682,- Euro). Dieser Gewinn stellt in dieser Gruppe meist einen Teil des Einkommens dar. Je größer der Betrieb, umso geringer fällt der Gewinn pro Mitarbeiter aus. In großen Ingenieurbüros jenseits von 100 Mitarbeitern beispielsweise schmilzt der Gewinn auf unter 9.000,- Euro pro Beschäftigtem, weil der Kostenapparat mit der Betriebsgröße tendenziell wächst und die Inhabergehälter vorab angemessen in die Personalkosten eingerechnet sind. Ähnlich fällt die Betrachtung der Umsatzrendite einschließlich Fremdleistungen und vor Steuern aus: Das Solo-Ingenieurbüro kommt auf einen stolzen Wert von fast 35 Prozent, Ingenieurbüros mit fünf bis zehn Mitarbeitern dürfen unterdessen knapp 17 Prozent Umsatzrendite erwarten. Bei Architektenbüros fallen die Vergleichszahlen anders aus: Das Ein-Mann-Büro erzielt im Schnitt knapp 20 Prozent Umsatzrendite, die mittlere Betriebsgröße von fünf bis zehn Beschäftigten erwirtschaftet rund 25 Prozent Rendite vom Umsatz.

Guter Ausblick
Insgesamt gaben die befragten Büros – Stand Juli 2020 – einen mittleren Auftragsbestand von gut neun Monaten an. Damit waren die Auftragsbücher ordentlich gefüllt. Ingenieure nannten einen Auftragsbestand von 8,9 Monaten, bei Architekten liegt dieser mit 10,6 Monaten etwas höher. Das fügt sich in das insgesamt solide Gesamtbild der Branche ein: steigende Umsätze, höhere Gehälter und ein comweiterhin wachsender Personalbedarf. Für die Planungsbüros bedeutet das freilich auch, sich auf weiter steigende Gehälter einzustellen, wollen sie in Zukunft ein attraktiver Arbeitgeber für Architekten und Ingenieure bleiben.

Das Jahr 2021 sollte aus heutiger Sicht keinen tiefen Absturz der wirtschaftlichen Lage der Ingenieure und Architekten bringen – vorausgesetzt, die Pandemie gerät nicht außer Kontrolle und das gesellschaftliche Leben findet zu einer gewissen Normalität zurück.

Die Umfrage als WEBINFO 212hier kostenlos herunterladen

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