Das Ausbildungs- und Innovationszentrum für die Textil- und Bekleidungsindustrie nutzt seine Gebäudehülle als dreidimensionale Demonstration textiler Fertigungsverfahren. Die Büros allmannwappner, Menges Scheffler Architekten und Jan Knippers Ingenieure entwickelten fünf verschiedene selbsttragende Basismodule, die je nach Einsatzort unterschiedlich mit Fasern umwickelt wurden. Die Konstruktion löst die Fläche in einzelne Fasern auf – ein Ansatz, der sich von der bisherigen Verwendung beschichteter Gewebe in der textilen Architektur deutlich unterscheidet.
Transparenz trotz Brandschutzanforderungen
Die transluzente Fassade setzt sich im Innenraum fort. Weitläufige Blickbeziehungen zwischen den Split-Leveln und über das zentrale Atrium prägen die Raumstruktur. Für die Brandabschnitte kamen vollverglaste Aluminium-Rohrrahmenobjekttüren mit T30-Klassifizierung zum Einsatz. Diese Türen lassen natürliches Licht in die Innenbereiche und erhalten die visuelle Durchlässigkeit.
In Bereichen ohne Anforderungen an Sicht und Lichtdurchlass verwendeten die Planer stumpf einschlagende Stahl-Objekttüren. Das Türblatt schließt bündig mit der Zarge ab und fügt sich so in die Wandebene ein. Im Souterrain trennt ein Feuerschutz-Schiebetor den Lastenaufzug von der großen Halle. Im Normalzustand bleibt das Tor geschlossen. Bei Nutzung des Aufzugs verschiebt es sich vor eine Nische mit Technik und Lagerfläche, wobei der Zugang zum Raum erhalten bleibt. In den oberen Geschossen separieren lediglich Gitter den Aufzug vom Raum.
Funktionale Innenraumgestaltung
Die Sitzkojen zwischen den Ebenen bieten Raum für den Austausch zwischen Seminaren und Vorlesungen. Die Farbverläufe in den textilen Oberflächen referenzieren die Gobelin-Tradition – jene Bildgewirke, die in der französischen Innenarchitektur des 17. und 18. Jahrhunderts zum Einsatz kamen.
Standort: Alteburgstraße 160, Reutlingen, DE
Bauherr: Südwesttextil – Verband der Südwestdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie e.V., Stuttgart, DE
Entwurfsverfasser: allmannwappner, München, DE / Menges Scheffler Architekten, Frankfurt, DE / Jan Knippers Ingenieure, Stuttgart, DE
Architekt / Generalplaner: allmannwappner, München, DE
Tragwerk: bwp, Burggraf + Reiminger, München, DE
Architekt Sekundärfassade: Menges Scheffler Architekten, Frankfurt, DE
Tragwerk Sekundärfassade: Jan Knippers Ingenieure, Stuttgart, DE
Brutto-Grundfläche: 4110 m²
Fertigstellung: 2023
Hörmann-Produkte: 1- und 2-flüglige Stahlobjekttüren STS in T30-, T90- und RS-Ausführung, 1- und 2-flüglige Aluminium-Rohrrahmenobjekttüren HE 311, 321, Feuerschutz-Schiebetor FST T90-1 OD
Die Hochschule Reutlingen bildet hier Studierende in textilbezogenen Fachrichtungen aus: textiles Ingenieurswesen, International Fashion Business, Fashion und Textildesign sowie Transportation Interior Design. Die deutsche Hochschularchitektur der Nachkriegszeit folgte meist dem Funktionalismus der siebziger Jahre – Bauten in Bielefeld, Kassel oder Duisburg zeigen kaum Bezug zu den vermittelten Fachinhalten. Das Texoversum wählt einen anderen Weg: Die Gebäudeform kommuniziert die Funktion – ein Prinzip, das bereits die Revolutionsarchitekten Claude-Nicolas Ledoux und Étienne-Louis Boullée im 18. Jahrhundert verfolgten und das Robert Venturi und Denise Scott Brown in „Learning from Las Vegas“ theoretisch fassten. (mb)