Mittelstand droht Ausschluss von öffentlichen Aufträgen

Bundesregierung muss Wort halten fordern Architekten, Ingenieure, Handwerk und Bauwirtschaft

Zentralverband Deutsches Handwerk, Zentralverband Deutsches Baugewerbe, Bundesvereinigung Bauwirtschaft, Bundesarchitektenkammer und Bundesingenieurkammer appellieren gemeinsam an die Bundesregierung, Wort zu halten: „Die Vergabereform darf den Mittelstand nicht ausschließen!“ Das Handwerk sowie Verbände der mittelständischen Bau- und Planungswirtschaft, die für 90 Prozent der Baubranche stehen, appellieren in einem gemeinsamen Positionspapier an die Abgeordneten, den Losgrundsatz nicht weiter aufzuweichen.
Positionspapier der Planungs- und Bauwirtschaft zur Vergabereform © DIB
Positionspapier der Planungs- und Bauwirtschaft zur Vergabereform © DIB

Der ausgewogene Gesetzentwurf der Bundesregierung (Vergabebeschleunigungsgesetz) müsse ohne die vom Bundesrat geforderten Verschärfungen verabschiedet werden. In einem Positionspapier wenden sie sich an Politik und Öffentlichkeit und warnen vor den Folgen.

Mittelstand droht Ausschluss von öffentlichen Aufträgen

Eine Ausweitung der Generalunternehmervergaben würde mittelständische Betriebe faktisch von öffentlichen Aufträgen ausschließen. 99 Prozent der Bauunternehmen haben unter 100 Beschäftigte, über 90 Prozent der Planungsbüros weniger als 50 Mitarbeiter, Architekturbüros meist unter 10.

Die Verbände betonen, dass der Losgrundsatz seit über 70 Jahren fairen Wettbewerb garantiert und das verfassungsrechtliche Gleichheitsprinzip sichert. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ergänzt die bestehenden Ausnahmen bereits um eine zusätzliche Möglichkeit für Projekte aus dem Sondervermögen – ein weitreichender Kompromiss, der nun umgesetzt werden muss.

Generalunternehmer kosten mehr und beschleunigen nichts

Die Bau- und Planungsverbände weisen zudem die Argumentation zurück, Generalunternehmervergaben würden Bauprojekte beschleunigen. Untersuchungen des Bundesrechnungshofs belegten vielmehr Mehrkosten von durchschnittlich rund 10 Prozent, teils über 20 Prozent des Auftragsvolumens. Der Koordinierungsaufwand werde lediglich vom öffentlichen Auftraggeber auf den Generalunternehmer verlagert.

Besonders problematisch: Kommunen sind auf Gewerbesteuereinnahmen ihrer heimischen Unternehmen angewiesen. Lokale Planer und Bauunternehmen schaffen Arbeitsplätze, zahlen Steuern in der Region und sichern Wertschöpfung vor Ort. Wenn Aufträge an große, auswärtige Konzerne gehen, verlieren Kommunen Einnahmen und wirtschaftliche Stabilität. Zudem würden Vergaben an Generalunternehmer zu einer Flut von Nachunternehmerketten führen, die nicht an deutschen oder europäischen Grenzen stoppen und entsprechende arbeitsmarkt- und sozialpolitische Verwerfungen mit sich bringen.

Dr.-Ing. Heinrich Bökamp, Präsident der Bundesingenieurkammer: „Städte und Gemeinden sollten sich bewusst machen, welchen Wert die Förderung regionaler mittelständischer Planungsbüros hat. Fachkundige Beratung mit Ortskenntnis kommt nicht von General- oder Totalunternehmern, sondern von Planerinnen und Planern, die die lokalen Bedingungen kennen und kurzfristig tragfähige Lösungen anbieten können.“

Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH): „Die Beibehaltung der Fach- und Teillosvergabe ist die zentrale Nagelprobe für eine glaubwürdige Mittelstandspolitik dieser Bundesregierung. Dieses Prinzip darf nicht aufgegeben werden, weil dies das Risiko birgt, kleine und mittlere Betriebe systematisch von öffentlichen Aufträgen auszuschließen. Das ist nicht hinnehmbar.“

Andrea Gebhard, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer: „Wer wirklich schneller bauen will, braucht einfache Verfahren, Digitalisierung und besser ausgestattete Verwaltungen – aber sicher keine Abkehr vom Losgrundsatz. Nationale Alleingänge schwächen nicht nur unseren Mittelstand, sondern könnten schon in Kürze außerdem auch europäischen Vorgaben widersprechen. Das EU-Parlament fordert ausdrücklich eine verpflichtende Losbildung zum Schutz der KMU.“

Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer Zentralverband Deutsches Baugewerbe: „Beim Vergabebeschleunigungsgesetz geht es um echte Mittelstandspolitik. Wer den Losgrundsatz weiter aushöhlt, schiebt öffentliche Aufträge in Richtung großer Konzerne und lässt regionale Betriebe außen vor. Wir erwarten, dass das Bekenntnis zur mittelstandsfreundlichen Vergabe im Koalitionsvertrag umgesetzt wird und keine Sonntagsrede ist.“

Positionspapier
Veröffentlicht von Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH), Bundesarchitektenkammer (BAK), Bundesingenieurkammer, Zentralverband Deutsches Baugewerbe und Bundesvereinigung Bauwirtschaft am 21. November 2025. (zum Öffnen klicken)

Wer den Losgrundsatz aushöhlt, gefährdet den Mittelstand

1. Bundesregierung muss Zusagen einhalten
Der Mittelstand braucht verlässliche Beteiligungschancen an öffentlichen Aufträgen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ergänzt die bestehenden Ausnahmen vom Losgrundsatz sinnvoll um eine weitere Möglichkeit für Projekte aus dem Sondervermögen. Dieser gerade noch tragbare Kompromiss kommt den Wünschen von Bauindustrie und Kommunen bereits sehr weit entgegen und muss jetzt umgesetzt werden.
Eine weitergehende Aufweichung – wie vom Bundesrat gefordert – würde den Mittelstand faktisch ausschließen.

2. Wer den Mittelstand schwächt, schwächt die kommunalen Finanzen
Kommunen sind auf die Gewerbesteuereinnahmen ihrer heimischen Unternehmen angewiesen.
Lokale Planer und Bauunternehmen sind unverzichtbare Partner:
• Sie schaffen Arbeitsplätze
• Sie zahlen Steuern in der Region
• Sie sichern Wertschöpfung und Ausbildung vor Ort

Wenn Aufträge an große, auswärtige Konzerne gehen, verlieren Kommunen Einnahmen und wirtschaftliche Stabilität. Wer sich eine Vergabe mit heimischen Handwerkern, Planern und Mittelständlern nicht zutraut, sollte erst recht keine Verträge mit internationalen Konzernen schließen – wie die Erfahrungen mit der Signa-Gruppe zeigen.

3. Generalunternehmervergaben beschleunigen nicht – sie verteuern
Ein Beschleunigungseffekt ist nicht belegt. Der Koordinierungsaufwand wird lediglich vom öffentlichen Auftraggeber auf den Generalunternehmer verlagert. Beschleunigung entsteht durch einfachere Verfahren, Digitalisierung und gut ausgestattete Verwaltungen – nicht durch den Rückzug des Mittelstands. Untersuchungen des Bundesrechnungshofs belegen zudem Mehrkosten von durchschnittlich rund 10 %, teils über 20 % des Auftragsvolumens. Im Übrigen würden Vergaben an Generalunternehmer zu einer Flut von Nachunternehmerketten führen, die nicht an den deutschen und europäischen Grenzen stoppen. Die arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Verwerfungen, die mit solchen prekären Subunternehmerstrukturen verbunden sind, werden auch innerhalb der Regierungskoalition zurecht kritisiert.

4. Politik für den Mittelstand
Beim Vergabebeschleunigungsgesetz geht es um echte Mittelstandspolitik! Entscheidend ist, dass öffentliche Aufträge nicht in Richtung großer Konzerne verschoben werden, während regionale Betriebe außen vor bleiben. Personelle Engpässe in Kommunen dürfen kein Vorwand sein, den Mittelstand zu schwächen.

Die Bundesregierung muss ihre Zusagen einlösen, Mittelstandspolitik umsetzen – und ihren ausgewogenen Vorschlag im Bundestag verabschieden.

Quelle: IVPU Industrieverband Polyurethan-Hartschaum

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