Die Verbände der Planerinnen und Planer und der bauausführenden Wirtschaft plädieren auch für eine Vereinfachung und Beschleunigung öffentlicher Investitionen. Eine Aufweichung der Mittelstandsklausel wäre dabei aber kontraproduktiv. Mit der Fach- und Teillosvergabe sei der Wiederaufbau in Deutschland nach dem Weltkrieg effektiv und schnell geleistet worden. Die Fach- und Teillosvergabe sei also nicht der Grund für die heutigen längeren Realisierungszeiten. Bislang gebe es auch keine Belege dafür, dass eine Gesamt- oder Konzernvergabe für schnellere Umsetzungen sorge.
Zudem sei die „zeitliche Komponente“, wie sie der Bundesrat vorschlägt, ein völlig neuer und unbestimmter Rechtsbegriff – mit all seinen Unabwägbarkeiten und Unsicherheiten für künftige erfahren.
Auch bestünden verfassungsrechtliche Bedenken, da der Vorrang der Losvergabe bislang gleiche Zugangschancen zu öffentlichen Aufträgen ermöglicht und so Ausdruck des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 GG) sei.
Eine Aushöhlung des Vorrangs der Losvergabe hätte zusätzlich gravierende negative wirtschaftliche Folgen für die mittelständisch geprägte Planungs- und Bauwirtschaft. Über 98 Prozent der Bauunternehmen beschäftigen weniger als 100 Mitarbeitende, über 90 Prozent der Planungsbüros weniger als 50 – viele Architektenbüros sogar weniger als 10 Mitarbeitende. Eine faire Vergabe ist für diese kleinen Unternehmen, etliche davon „Start-ups“, existenziell. Die Stärkung kleiner und mittelständischer Planungsbüros ist im Interesse einer Erweiterung des Wettbewerbs bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch Teilnahme möglichst vieler Wettbewerber unbedingt erforderlich.
Diese Einschätzung wird auch durch ein aktuelles Gutachten von Prof. Dr. Martin Burgi (LMU München) und Prof. Dr. Michael Eßig (Universität der Bundeswehr München) bestätigt. Die Autoren kommen darin zu dem klaren Ergebnis, dass eine Aufweichung des Losgrundsatzes den Wettbewerb schwächt, kleine und mittlere Unternehmen vom Marktzugang ausschließt und zudem europarechtlich problematisch wäre.
Der Vorschlag der Bundesregierung sieht hingegen klar bestimmte Begriffe vor: Sondervermögen, Wertgrenze und Infrastruktur. Entgegen den Äußerungen der kommunalen Spitzenverbände, ist eine Aushöhlung des Vorrangs der Losvergabe nach Einschätzung der Verbände gerade nicht im Interesse der Kommunen ist. Denn die Kommunen leben von den Gewerbesteuern, die die heimische Wirtschaft aufbringt. Bei Konzernvergaben würden sich die Kommunen genau diesen Ast absägen, auf dem sie sitzen. Wenn Kommunen sich angeblich nicht mehr zutrauen, mit ihren heimischen Handwerkern und Mittelständlern eine Vergabe zu organisieren, sollten sie erst recht die Finger von Vertragsverhandlungen mit internationalen Konzernen und großen Rechtsabteilungen lassen. Wohin das führt, kann man ja in den Kommunen sehen, die dies mit der Signa-Gruppe versucht haben.
Von Beginn eines Bauvorhabens bis zur Fertigstellung entfallen mittlerweile 85 Prozent der Zeit auf Planungs-, Genehmigungs- und Gerichtsverfahren. Lediglich 15 Prozent bei öffentlichen Bauvorhaben entfallen noch auf Vergabe und das eigentliche Bauen. Bisher gebe es keinen Beleg, dass eine Vergabe an einen Konzern, der gerade vor Ort keine Gewerbesteuer zahlt, tatsächlich zu einer Beschleunigung führt.
Daher sind die Verbände der Bundesregierung und den sie tragenden Fraktionen für den ausgewogenen Kompromiss im Paragraphen 97 Absatz 4 dankbar, der dafür sorgt, dass kleine, mittlere und große Unternehmen in Zukunft weiter für die öffentliche Hand bauen können, die regionale Wirtschaft gefördert, die Gewerbesteuereinnahmen stetig bleiben und den Kommunen damit dauerhaft geholfen ist.
Im laufenden Gesetzgebungsverfahren findet als nächster Schritt am 10. November 2025 eine öffentliche Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie im Deutschen Bundestag zum Vergabebeschleunigungsgesetz statt.