Das Jahr 2024 war das wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen – erstmals lag die globale Durchschnittstemperatur im gesamten Jahr mehr als 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau. Die Auswirkungen zeigen sich auch auf dem traditionsreichen Wissenschaftsstandort, wo das Beratungsunternehmen Drees & Sommer aus Stuttgart nun Lösungsansätze erarbeitet.
Forschungstradition trifft auf Klimarealität
Der Telegrafenberg beherbergt Forschungseinrichtungen wie das GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung und das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung mit einer Tradition von rund 150 Jahren. Viele der großen Bäume erreichen ein ähnliches Alter.
„Seit Jahren beobachten wir auch hier die Folgen des Klimawandels – insbesondere der Baumbestand leidet zunehmend unter steigenden Temperaturen und Trockenheit. Mit dem neuen Landschaftskonzept soll der Telegrafenberg als Grünraum bewahrt werden“, sagt Dr. Knut Kaiser, Nachhaltigkeitsbeauftragter des GFZ. „So setzen wir Maßnahmen für Klimaanpassung, Biodiversität und einen stabilen Wasserhaushalt um und sichern zugleich dauerhaft die Attraktivität und Funktionalität des Campus“, betont Kaiser.
Ökosystem mit seltenen Arten
Die artenreiche Vegetation des Telegrafenbergs bildet die Grundlage für ein vielfältiges Ökosystem. „Unterschiedlichste Ausprägungen – von lichtem Kiefernwald über Sandmagerrasen bis hin zu naturnaher Gehölzstruktur – schaffen wertvolle Lebensräume für eine Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten. Besonders hervorzuheben sind zwei Maiglöckchenbestände, die im Frühjahr durch ihre Blüte nicht nur optische Akzente setzen, sondern auch ökologisch bedeutsam sind“, erklärt Ramona Giese, Projektleiterin sowie Wasser- und Klimaexpertin bei Drees & Sommer.
Tagpfauenaugen, Spechte, Feldmaikäfer und die seltene Eidechsenart Klaiber verdeutlichen den naturschutzfachlichen Wert des Gebiets. Verschiedene Arten stehen auf der Vorwarnliste oder der Roten Liste. Ausgehend von am Ende des 19. Jahrhunderts angepflanzten Mutterbäumen entwickelte sich hier in über einhundert Jahren ein Eibenbestand von etwa 2000 zumeist jüngeren Individuen – eines der größten Vorkommen in Nordostdeutschland.
Wassermanagement als Schlüssel zur Klimaresilienz
Der Telegrafenberg fungiert als wichtige Kaltluftschneise für das Stadtklima Potsdams, dient als Versickerungsfläche für Regenwasser und grenzt an Landschafts- sowie Trinkwasserschutzgebiete. „Die vielfältige Baumvegetation nimmt einen großen Teil des Geländes ein und ist immens gefährdet“, sagt Ramona Giese. „Um dem entgegenzuwirken und den Standort auf die Herausforderungen des Klimawandels vorzubereiten, ist zunächst eine umfassende Bestandsaufnahme erforderlich“, sagt die Expertin von Drees & Sommer.
Die Analyse umfasst die historische Landschaftsentwicklung, eine geobotanische Untersuchung der aktuellen Vegetation sowie eine Bewertung der Flächennutzung. Giese und ihr Team untersuchen zudem die Wasser- und Nährstoffspeicherkapazität der Böden. Die Fachleute wollen das Risiko von Vegetationsbränden minimieren, die nachhaltige Nutzung von Biomasse prüfen und den Gesundheitszustand des Waldes langfristig sichern.
„Durch steigende Temperaturen und längere Trockenphasen fehlt den Bäumen zunehmend Wasser. Sie trocknen aus und sterben ab“, erklärt Giese. Ein Schwerpunkt liegt daher auf der Weiterentwicklung des bestehenden Regenwasserkonzepts: Maßnahmen zur effizienteren Versickerung oder Sammlung von Regenwasser sollen die ökologische Resilienz verbessern und Starkregenfolgen vermeiden.
Digitale Instrumente für komplexe Planung
Für das künftige Wassermanagement setzt Ramona Giese auf verschiedene Analyseinstrumente: „Mithilfe des Geoinformationssystems Scalgo lassen sich beispielsweise Oberflächenabflüsse darstellen und potenzielle Überflutungsrisiken simulieren.“ Die Experten prüfen verschiedene Ansätze zur Weiterentwicklung der bestehenden dezentralen Regenwasserbewirtschaftung.
„Unser Ziel ist es, den grünen Campus zu erhalten. Das bedeutet, scheinbare Gegensätze in Einklang zu bringen: den Erhalt historischer Strukturen mit der notwendigen Anpassung an den Klimawandel, die sorgfältige Pflege der Anlagen mit dem Schutz der Artenvielfalt sowie die Nutzungsansprüche mit der Bewahrung sensibler Vegetation“, sagt Knut Kaiser vom GFZ. Bis April 2026 sollen die Untersuchungen durch Drees & Sommer abgeschlossen und das Landschaftskonzept endgültig ausgearbeitet sein. (mb)