Ursprünglich als zweigeschossige Parkhaus 1957 an der Avenue Parmentier 58-60 errichtet, stockten die Bauherren in den Sechzigerjahren das Gebäude schrittweise auf fünf Geschosse auf. Die Gebäudeorganisation folgte dem damals üblichen Schema für Garagenbauten: Halbgeschosse verbinden sich über seitliche Rampen. Das Tragwerk besteht aus Innenstützen sowie Haupt- und Nebenträgern, die schlanke Betondecken tragen. Diese Konstruktion ermöglichte große, stützenfreie Flächen für flexible Nutzungen.
Der Architekturwettbewerb 2018 ließ beide Optionen offen: Abriss oder Erhalt. Atelier Téqui gewann mit einem Konzept, das den Bestand weitgehend bewahrt und um drei Holzgeschosse erweitert.
Statische Konzeption: Lastableitung ohne Bestandsbelastung
Die Architekten erhielten die vorhandene Beton-Tragstruktur nahezu vollständig. Die neue Aufstockung gründeten sie über Mikropfähle und zusätzliche Stützen, sodass die Lasten direkt in den Boden abfließen. Die Bestandsstruktur erfährt dadurch keine zusätzliche Beanspruchung.
Die ursprüngliche Fassadenanmutung zur Avenue Parmentier blieb erhalten, die Gebäudehülle bauten die Planer jedoch zu einer funktionalen Doppelfassade um. Die senkrechte Holzverkleidung der Aufstockung kontrastiert mit der Straßenansicht der Sechzigerjahre und ihren breiten, durchgehenden Fensterbändern.
Räumliche Intervention: Öffnung durch Rückbau
Die Architekten ließen die seitlichen Rampen vollständig zurückbauen und ausgewählte Deckenbereiche partiell abtragen. So entstanden Innenhöfe und Lufträume, die Licht, Luft und Sichtbezüge ins Gebäudeinnere bringen. Begrünte Höfe und Dachgärten verbessern das Mikroklima und ermöglichen eine nachhaltige Regenwasserbewirtschaftung.
Wohnungstypologien: 63 individuelle Einheiten
In drei Gebäudeteilen entstanden 63 Wohneinheiten mit zwei bis fünf Zimmern, darunter zwei Maisonette-Wohnungen. Fast alle Appartements verfügen über Außenbereiche in Form von Wintergärten, Loggien oder Terrassen. Viele Wohnungen durchziehen das Gebäude, im Erdgeschoss bieten private Gärten zusätzliche Rückzugsorte. Sichtbar belassene Original-Tragwerkstrukturen erinnern an die Geschichte des Ortes.
Fassadentechnik: Doppelschalige Klimahülle
Die straßenseitige Bestandsfassade blieb in ihrer ungedämmten Originalform erhalten. Dahinter ergänzten die Planer eine wärmegedämmte Ebene zu einer vollständig öffenbaren Doppelfassade. Der Zwischenraum dient als akustisch und thermisch wirksamer Wintergarten, der den Lebensraum nach außen erweitert und Ausblicke auf die Avenue ermöglicht.
Der äußere Sichtbeton wurde mit weißer Farbe aufgefrischt; die alten Brüstungsbänder mit einfachen Schiebeelementen modernisiert . Für die neue, zurückversetzte Hülle kamen Leichtbauwände mit hinterlüfteter Holzwerkstoffverkleidung zum Einsatz. Wärmegedämmte Glas-Faltwände ermöglichen großflächige Öffnungen dieser Primärfassade.
Materialkonzept: Gezielte Holzverwendung
Verschiedene Holzarten setzen gezielte Akzente und bilden einen Kontrast zum Betoncharme des Bestands. Die Fassaden der Aufstockung verkleideten die Architekten überwiegend mit Lärche, während in den Wintergärten und Loggien Pappelholz für die Innenflächen zum Einsatz kam. In den Wohnungen schafft Eichen-Massivholzparkett eine wohnliche Atmosphäre. Für die Dach- und Wandelemente kam Fichte als Konstruktionsholz zum Einsatz. Alle Fenster und Glas-Faltwände bestehen aus Kiefernholz, das gemeinsam mit dem Kiefernholz-Fußbodenbelag der Wintergärten eine harmonische optische Einheit bildet.
Raumübergänge: Barrierefreie Faltwandsysteme
Projektarchitektin Claire de Fraguier entschied sich bewusst für Glas-Faltwände als Übergänge in die Wintergärten: „Sie ermöglichen großzügige, barrierefreie Übergänge und lassen Innen- und Außenraum nahtlos miteinander verschmelzen.“ Insgesamt verbauten die Architekten 18 Glas-Faltwände des Systems Woodline von Solarlux. Jedes Element besteht aus drei Segmenten, die sich nach innen öffnen und – je nach Einbausituation – entweder nach links oder rechts zu einem schmalen Paket zusammenfalten lassen.
Projekt: Sanierung und Aufstockung des ehemaligen Peugeot-Parkhauses von 1957
Raumprogramm: 63 Wohnungen, 1 Gewerbeeinheit
Adresse: Avenue Parmentier 58-60, Paris (11. Arrondissement)
Bauherr: Quadral Promotion | Batigère Habitat
Entwurf und Bauleitung: Atelier Téqui Architectes
Umweltmaßnahmen: Klimaplan der Stadt Paris | Biobasiertes Gebäude
Grundfläche: 4.707 m² gesamt. Sanierter Teil: 2.886 m², Aufstockung: 1.821 m²
Wohnfläche: 4.313 m²
Wettbewerb: 2018
Bauzeit: 36 Monate
Fertigstellung: 2025
„Die Glas-Faltwände unterstützen unser architektonisches Konzept von Offenheit und Durchlässigkeit“, erklärt de Fraguier. „Deshalb haben wir uns früh für ihren Einsatz stark gemacht.“ Zum Thema Schallschutz fügt sie hinzu: „Dank der optimalen Schall- und Wärmedämmung der Woodline-Faltwände konnten wir darüber hinaus den geforderten Lärmschutz in den Wohnungen sicherstellen – ein entscheidender Aspekt bei der Lage an der vielbefahrenen Avenue Parmentier.“ Die schlanken Rahmenprofile lassen auch im geschlossenen Zustand viel Tageslicht in die Wohnungen.
Stadtentwicklung: Beispiel für Klimaplan Paris
Mit der Transformation des Bestands liefert Atelier Téqui Architectes ein Beispiel für nachhaltige Stadterneuerung im Sinne des Klimaplans der Stadt Paris. Die Verbindung von ressourcenschonender Holzbauweise und dem Umgang mit dem historischen Bestand sorgt für helle, offene Wohnräume mit hohem Komfort. Die flexible Doppelfassade erweitert den Lebensraum, verbessert das Raumklima und sorgt für optimalen Schallschutz. So entsteht ein Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart – ein Zuhause, das Identität stiftet und modernen Wohnansprüchen gerecht wird. (mb)