„Ein flächendeckender Hochwasserschutz und eine klimaresiliente Stadtplanung wird für Städte und Kommunen zukunftsentscheidend“, betont Gregor Grassl, Associate Partner und Experte für klimafreundliche Stadtentwicklung bei Drees & Sommer. Die Folgen extremer Wetterereignisse reichen von vollgelaufenen Kellern über lahmgelegte Infrastruktur und Milliardenschäden bis zu Todesopfern. Klimaanpassungsprojekte im Landkreis Cochem-Zell sowie in Limburg und Potsdam zeigen, wie Kommunen die Herausforderungen angehen. Drees & Sommer berät die Städte und Kommunen bei diesen Vorhaben.
Gesetzliche Grundlagen schaffen Handlungsdruck
Seit Juli 2024 verpflichtet das neue Klimaanpassungsgesetz (KAnG) die Bundesländer zur Entwicklung eigener Klimaanpassungsstrategien. Eine repräsentative Studie „Kommunalbefragung Klimaanpassung 2023″ im Auftrag des Umweltbundesamts zeigt die aktuelle Lage: Über vierzig Prozent der insgesamt über 1.000 befragten Kommunen haben bereits Maßnahmen zur Klimaanpassung umgesetzt. Fast ebenso viele planen derzeit entsprechende Schritte. Die Studie ergab jedoch auch, dass fast drei Viertel der Kommunen mehr Informationen und Empfehlungen zu geeigneten Klimaanpassungsmaßnahmen benötigen.
Starkregen als besondere Herausforderung
Während steigende Temperaturen in einigen Regionen ganze Landstriche austrocknen, gehen andere Gebiete im Starkregen nahezu unter. Grassl beschäftigt sich bei Drees & Sommer intensiv mit den Herausforderungen solcher Extremwetterlagen: „Die Hitze- und Regenphasen treten immer konzentrierter auf und können jede Region Deutschlands treffen. Besonders tückisch ist der Starkregen, weil er spontan und punktuell niedergeht – und dadurch schwer planbar ist.“ Städte können sich jedoch mit dem richtigen Know-how anpassen und widerstandsfähiger werden.
Analyse der lokalen Risiken
Starkregen kann ganze Städte verwüsten und macht Überschwemmungsrisiken auch abseits von Gewässern schwer kalkulierbar. Präventive Maßnahmen minimieren die negativen Auswirkungen solcher Ereignisse. „Der Zustand der Gewässer und die Leistungsfähigkeit der Kanalisation sind zentrale Faktoren, denn überlastete Abwassersysteme zählen zu den häufigsten Ursachen für urbane Überflutungen“, sagt Grassl. Kommunen müssen bestehende Hochwasserschutzmaßnahmen regelmäßig überprüfen und ihre Wirksamkeit gegenüber extremen Wetterlagen testen. Ebenso wichtig ist der jederzeitige Zugang zu lebenswichtiger Infrastruktur wie Rettungswegen, Feuerwachen, Krankenhäusern und Notunterkünften.
Schwammstadt-Prinzip als Kernstrategie
Die blau-grüne Infrastruktur kombiniert Grünflächen, Wassermanagement und Technik und bildet das Kernstück der Anpassung an Starkregenereignisse. Parks, Grünzüge und urbane Freiflächen übernehmen eine Schlüsselrolle: Sie fungieren als natürliche Rückhalteräume, die bei starken Niederschlägen überschüssiges Wasser aufnehmen und Überflutungen gezielt abpuffern.
„Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Schwammstädten, weil die Grünflächen wie ein Schwamm wirken und das Regenwasser aufnehmen“, erklärt Grassl. Die Flächen leisten jedoch mehr: Sie bieten Schutz vor Hitze, verbessern die Luftqualität, fördern die Artenvielfalt und schaffen Erholungsräume im urbanen Raum. Damit tragen sie nicht nur zur Klimaanpassung bei, sondern erhöhen auch die Lebensqualität in Städten.
Entsiegelung statt Versiegelung
In vielen Städten dominieren Asphalt, Beton und dicht verlegte Pflastersteine – Materialien, die verhindern, dass Regenwasser in den Boden eindringt. Stattdessen fließt es ungebremst in die Kanalisation, die bei Starkregen schnell überlastet ist. Die Folge: Rückstau, überflutete Straßen und Keller sowie enorme Schäden an Gebäuden und Infrastruktur. „Um dem entgegenzuwirken, muss man große Flächen entsiegeln und mit wasserdurchlässigen Alternativen ersetzen“, so Grassl. Materialien wie Rasengittersteine, poröse Beläge oder begrünte Wegeflächen ermöglichen eine natürliche Versickerung und nehmen das Regenwasser dezentral dort auf, wo es fällt. Zugleich verbessern entsiegelte Flächen das Mikroklima, wirken der Überhitzung in Städten entgegen und fördern die Grundwasserneubildung.
Paradigmenwechsel beim Hochwasserschutz
Traditionelle, starre Dämme galten lange Zeit als wirksamer Hochwasserschutz. In vielen Fällen bewirken sie jedoch das Gegenteil: Indem sie den natürlichen Wasserfluss einschränken und das Wasser gezielt ableiten, erhöhen sie die Fließgeschwindigkeit – mit der Folge, dass Überschwemmungen an anderer Stelle verschärft oder sogar erst ausgelöst werden.
Ein zukunftsfähiger Umgang mit Starkregenereignissen setzt daher auf einen Paradigmenwechsel: „Statt Wasser schnell aus dem Siedlungsraum abzuleiten, gilt es, es gezielt zu bremsen und zu puffern. Das bedeutet, Städte und Siedlungen stärker an natürliche Gegebenheiten wie Geländeformen und ursprüngliche Wasserläufe anzupassen“, so Gregor Grassl. Durch Retentionsflächen, durchlässige Böden und naturnahe Gestaltungen hält Wasser länger vor Ort, versickert kontrolliert oder wird verzögert weitergeleitet.
Integration in die Stadtplanung
Um Kosten zu sparen und Synergien zu nutzen, müssen Kommunen Schutzmaßnahmen gegen Starkregen frühzeitig in geplante Um- und Neubauprojekte integrieren. So lassen sich Versickerungsflächen, Rückhaltebecken oder Grünzüge von Anfang an mitdenken und effizient umsetzen.
„Diese integrierte Planung bietet nicht nur funktionalen, sondern auch gestalterischen Mehrwert: Rückhalteflächen können gleichzeitig als Parks, Spielplätze oder Aufenthaltsräume genutzt werden“, sagt Grassl.
Projektbeispiele aus der Praxis
Drees & Sommer begleitet derzeit mehrere Klimaanpassungsprojekte:
- Cochem-Zell: Der Landkreis erarbeitet bis Oktober 2026 ein Klimaanpassungskonzept und will damit die Region auf die zunehmenden Folgen des Klimawandels vorbereiten.
- Limburg: Die Stadt setzt kommunale Wärmeplanung, energetische Beratung für Hausbesitzer und die klimaresiliente Umgestaltung öffentlicher Räume als Maßnahmen zur Klimaanpassung um.
- Telegrafenberg Potsdam: Der Baumbestand auf dem Telegrafenberg ist infolge von Hitze und Trockenheit bereits zu 78 Prozent geschädigt. Ein Landschaftskonzept soll den Wissenschaftsstandort wieder zukunftsfähig machen.
- Düren und Dormagen: Der nordrhein-westfälische Kreis Düren und die Stadt Dormagen erarbeiten auf Basis von Betroffenheitsanalysen individuelle Klimaanpassungskonzepte.
- Universitätscampus Hamburg: Die Helmut-Schmidt-Universität plant eine klimaneutrale Campusentwicklung im Stadtteil Jenfeld. Die Masterplanung beinhaltet unter anderem ein Regenmanagement, das sich am Schwammstadt-Prinzip orientiert. (mb)