Industriegeschichte seit dem 17. Jahrhundert
Die Tradition des Papierhandwerks in Cham reicht bis Mitte des 17. Jahrhunderts zurück. Damals nutzte eine Papiermühle erstmals die Wasserkraft der Lorze. Das über Generationen weitergegebene Unternehmen wuchs im Laufe der Zeit zu einem Industriebetrieb heran. Mit dem ersten Holländer – jener Maschine, die Fasern verarbeitet – stieg der Bedarf an Produktionsgebäuden. Fabrikgebäude, Maschinenhallen sowie Werk- und Wohnstätten bildeten schließlich ein großflächiges Industriegelände. Ab 1913 entstand der erste Holländerbau östlich der Lorze, dem in den folgenden 30 Jahren die Papiermaschinenhallen eins bis vier folgten. Diese Hallen blieben bis 2015 in Betrieb.
Städtebauliches Konzept für 4.000 Menschen
Die Verlagerung der Papierproduktion ins Ausland eröffnete den Weg für ein Stadtentwicklungsprojekt: Auf dem rund zwölf Hektar großen Papieri-Areal sollen bis 2030 etwa 4.000 Menschen leben und arbeiten. Ein nach Kriterien des 2000-Watt-Areals entwickeltes Stadtplanungskonzept verdichtet den teils denkmalgeschützten Bestand durch Neubauten nach. Die Zeilenbauweise, neue Plätze sowie das Erschließungskonzept verbinden dabei modernes urbanes Quartier mit der Ortsgeschichte.

Der Masterplan folgt einem städtebaulichen Konzept der Büros Albi Nussbaumer Architekten aus Zug und Boltshauser Architekten aus Zürich nach einem kooperativen Planungsverfahren mit Bürgerbeteiligung. Boltshauser Architekten verantworteten unter anderem den Umbau des rund 250 Meter langen Riegels zwischen Lorze und Maschinengasse. Das Büro Albi Nussbaumer Architekten bezog mittlerweile selbst ein Atelierloft in den alten Papierhallen.
Rückbau bis zur Tragstruktur
Fünf Gewerbeeinheiten, sieben Loft-Ateliers und 52 Wohnungen entstanden im langgezogenen Bestand auf rund 2.620 Quadratmetern. Die Kultur-, Gewerbe- und Gastronomienutzungen reihen sich entlang der Erdgeschosszone und beleben die Maschinengasse. Die bis zu drei Obergeschosse beherbergen Wohnlofts und Ateliers. Für den Umbau bauten Boltshauser Architekten die Substanz bis auf die Trag- und Deckenstruktur samt vorhandener Niveauunterschiede zurück. Die sichtbare Skelettkonstruktion aus Eisenbeton gliedert auch nach dem Umbau die Fassade und bleibt innen teils sichtbar. Die rückgebauten Materialien flossen teilweise wieder in das Sanierungsprojekt ein. Ausfachungen aus Zement, Backstein, Kalksandstein, Stahlelemente sowie Sichtbeton kennzeichnen die Hüllen der neu formulierten Räume.

Feuerverzinkte Stahlprofile als gestalterisches Element
Zu den prägenden Fassadenelementen gehören Sprossenfenster, Glassteine sowie Stahlfenster und -türen, die die industrielle Vergangenheit betonen. Die Architekten ließen teils Bestandsfenster sanieren oder ersetzten sie durch neue, die die alten zitieren. Auf der Westseite des Gebäudes zur Lorze hin bildet eine durchlaufende Loggia einen Klimapuffer nach innen. Dadurch konnten die originalen Fenster mit ihren filigranen Profilen erhalten beziehungsweise passend ergänzt werden.
Die eingesetzten Fenster Forster unico xs, die Tür- und Portalelemente Forster unico Hi sowie die Brandschutzelemente Forster unico EI30 vereinen hohe wärmedämmende Eigenschaften mit schlanken Profilen. Diese Profilsysteme verzichten auf Kunststoffisolatoren und ermöglichen dadurch eine Feuerverzinkung. Die Oberflächenbehandlung gewährleistet dauerhaft robuste und wertbeständige Profile, deren rauer Charakter beim Sanierungsprojekt im Papieri-Areal den industriellen Charakter unterstreichen soll. (mb)