Visualisierung und Zusammenarbeit

sind die entscheidenden Vorteile der Digitalisierung im Bauwesen

Digitalisierung
Infrastruktur
Richard J. Vestner, Bentley Systems, spricht mit dem Deutschen Ingenieurblatt über die Notwendigkeit offener Systeme und Standards für die Bewältigung von Infrastrukturaufgaben.
Bauliche Infrastruktur in Geschäftsbereichen

Bentley Systems ist als Softwareunternehmen mit Angeboten seit 40 Jahren auf Infrastruktur spezialisiert und bedient im Wesentlichen vier Bereiche:

  • „Transport“ beinhaltet alles, was mit Transport zu tun hat wie Straßen, Wege, Brücken, Schiene, Flughäfen, Häfen.
  • „Energie“ umfasst in der Energieproduktion und -verteilung die Infrastruktur und Leitungen. Auch der ober- und unterirdische Abbau von Erzen in Minen wird diesem Geschäftsfeld zugeordnet.
  • „Wasser“ schließt Trinkwasserversorgung, Abwasserentsorgung, Rohrsysteme und Netzwerke mit ein.
  • „Städte“ inkludiert Stadt- und Raumplanung und alles, was sich mit räumlichen Zusammenhängen dieser Netzwerke unter Einbezug von Gebäuden und Plätzen befasst.

„Städte“ schließt also lineare Infrastruktur in räumlichen Anwendungsfällen ein, zum Beispiel in Flughäfen, Häfen, Industrieanlagen, Kommunen oder Städten. Vom Grundstück über Gebäude bis hin zu ober- und unterirdischer Infrastruktur mit entsprechenden Ver- und Entsorgungsnetzwerken ermöglichen wir alle Aufgabenstellungen in einem „Smart Place“. So können zum Beispiel von Anfang an alle Planungen aufeinander abgestimmt werden, um die effizientesten Lösungen zu finden und gleichzeitig viel Planungszeit einzusparen.

Mit einem digitalen Zwilling bringen wir alle unsere Kompetenzen aus den unterschiedlichen Bereichen zusammen. Gerade in Städten kommt es maßgeblich darauf an, dass man Entscheidungen im Kontext fällt, weil dort keine Aktivität für sich isoliert sinnvoll funktioniert. Wenn man irgendwo in den Untergrund eingreift, trifft man in der Tiefe auf konkurrierende Kabel, Gas-, Wasser- und Abwassernetze und später auf die U-Bahn. Gerade durch die Verdichtung der Infrastruktur darf man nichts isoliert betrachten, sondern man sollte Entscheidungen im Kontext mit der übrigen Infrastruktur treffen. Daher ist jede Entscheidungsfindung abhängig von vielen Variablen. Eine bestmögliche Entscheidungsfindung kann nur durch konsequente digitale Erfassung der Infrastruktur erreicht werden.

Verstädterung als Aufgabe

Die Urbanisierung nimmt stetig zu. Die UN sagt für 2050 voraus, dass annähernd 70 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben wird. Damit liegt eine unheimliche Verdichtung von Menschen auf kleiner Fläche vor. Nach UN-Berechnungen ziehen bis 2050 pro Woche ca. 1,5 Millionen Menschen in Städte. Diese Menschen brauchen Infrastruktur: Wasserversorgung, Abwasserentsorgung, Energie, bezahlbaren Wohnraum und Mobilitätsangebote. Experten sagen uns, dass bis 2050 ca. 75 Prozent der hierfür benötigten Infrastruktur erst noch gebaut werden muss. Eine gigantische Aufgabe, die von immer weniger Fach- und Arbeitskräften unter zunehmender Anspannung der Ressourcenlage bewältigt werden muss. Daher bleibt nur der Weg, die Produktivität zu steigern. Es muss mehr mit weniger geschaffen werden und das kann vor allem mithilfe der Digitalisierung gelingen.

Gleichzeitig müssen mehr Nachhaltigkeit erzielt, der CO2-Fußabdruck verringert und schädliche Emissionen möglichst vermieden werden. Unsere Infrastruktur muss also dekarbonisiert werden. Laut Professor Werner Sobek stammen derzeit noch 50 Prozent der Kohlenstoffemissionen aus dem Bausektor. Sollte die Klimakrise nicht in den Städten gelöst werden, dann wird sie wohl nirgendwo gelöst.

Interoperabilität gewährleisten…

Bentley Systems bietet eine offene Softwarearchitektur und verbindet Produkte und Daten mit anderen Sektoren wie Enterprise Resource Planning (ERP)-Systemen, die Unternehmen oder auch Städte nutzen. Damit schaffen wir für diese Systeme eine Konnektivität zur Infrastruktur – man kann auch Interoperabilität sagen, so dass datenunterstützt optimale Entscheidungen getroffen werden können.
Wir unterstützen offene Standards und sind dafür in verschiedenen Organisationen Mitglied, beispielsweise dem Open Geospatial Consortium (OGC). Wir pflegen auch ein Softwareentwickler-Netzwerk und tauschen uns mit vielen anderen Softwareanbietern aus, um gemeinsam Entwicklungen voranzubringen. Mit Open APIs und Open Source Bibliotheken unterstützen wir Interoperabilität.

…um Zusammenarbeit zu ermöglichen

Ziel ist es, Informationen über Projekte spartenübergreifend zu koordinieren und dies nicht nur innerhalb des Bauwesens, sondern beispielsweise auch mit der Verkehrsleitstelle einer Stadt oder mit deren Kommunikationsabteilung, um die Bürgerinnen und Bürger über einen Projektfortschritt zu informieren. Auch die Bedarfsplanung für Logistikflächen und Baustellenverkehr kann durch den digitalen Zwilling begleitend und jeweils aktuell angepasst werden. Bei der Bebauungsplanung kann mit einem digitalen Zwilling virtuell visualisiert werden, wie ein Gebäude im räumlichen Kontext entsteht und aussieht. Zudem können weitere Auswirkungen – wie beispielsweise der Schattenwurf – geprüft werden.

„Tatsächlich ist BIM nicht zuvorderst eine Technologie, sondern eine Methode, wie man zusammenarbeiten kann.“

Unsere Software ist quasi ein Ermöglicher für Ingenieur- und Architekturbüros als Servicedienstleister. Sie soll im gleichen Maße auch die Eigentümer, Betreiber und Entwickler von Infrastruktur in die Lage versetzen, zusammenzuarbeiten, Daten zu visualisieren, Daten zu teilen und nach Informationen zu suchen, die aus den unterschiedlichen Bereichen zusammenkommen. Im Idealfall soll so ein „single view of the truth“ ermöglicht werden.

Als es vor ungefähr 20 Jahren mit Building Information Modeling (BIM) anfing, hat man versucht, Daten miteinander zu teilen, so dass unterschiedliche Funktionen, Rollen und Abteilungen miteinander ein Modell anschauen konnten – typischerweise war das Modell in 3D. Daher haben manche gesagt, BIM ist immer 3D, obwohl es auch 2D sein kann. Tatsächlich bedeutet BIM, dass man Daten gleichzeitig teilt und alle Beteiligten eine Status-Veränderung sehen können. So erreicht man einen effizienteren Prozess der Genehmigung, weil jeder merkt, ob eine Änderung in einen anderen Bereich eingreift. Ein wesentliches Ergebnis von Digitalisierung ist Visualisierung. Man kann beispielsweise ein 3D-Modell begehen und es von allen Seiten betrachten und man sieht selbst das Fundament in der Erde. Es kann hineingezoomt werden bis auf die Größe einer Schraube mit Genauigkeiten von zwei Millimetern.

Produktivitätssteigerung über den Lebenszyklusansatz

Wir wollen aber nicht nur im Planen bleiben, sondern den gesamten Lebenszyklus in der Digitalisierung abbilden. Standardisierte Formate und Schnittstellen können helfen, die bisherigen Bruchstellen zwischen den verschiedenen Phasen abzubauen, das heißt eine Datendurchgängigkeit von der Idee über das Konzept bis hinein in den Betrieb zu gewährleisten. Dafür muss der digitale Zwilling über alle Phasen eines Bauwerks sozusagen leben: von der ersten Idee bis zum Abriss. Der digitale Zwilling ist aufgebaut auf den Daten der unterschiedlichen Fachdomänen, die im digitalen Zwilling im Lebenszyklus zusammenarbeiten können: Architekten, Ingenieure, Facility Manager, Makler, Verkehrsplaner und viele mehr. Wir bauen einen neuen Runden Tisch im virtuellen Raum, wo jeder seinen Platz hat. Dafür können differenzierte Zugangsrechte definiert werden, zu dem unterschiedliche Domänen beitragen und profitieren.

Damit kann dann auch die Produktivität in der Bauindustrie erhöht werden. Da kommt zunehmend auch das Thema Künstliche Intelligenz (KI) ins Spiel. Im Englischen heißt es „AI Artificial Intelligence“. Ich würde es besser „Augmented Intelligence“ nennen, um die Unterstützung für Fachkräfte zu betonen, die KI einsetzen, so dass beispielsweise mühsame oder auch langweilige Arbeiten erledigt, Daten gefiltert und korrigiert sowie Hintergrundinformationen gebracht werden, das heißt die Arbeit erleichtert wird und dadurch mehr Zeit für kreative Aufgaben freigesetzt wird.

Internationaler Wettbewerb zur Demonstration von ausgezeichneten Infrastrukturprojekten

Zur Förderung unseres Ansatzes richten wir seit 20 Jahren die „Going Digital Awards“ für Anwenderinnen und Anwender unserer Softwareprodukte aus. Bei diesem globalen Wettbewerb werden in jedem Jahr die besten digitalen Errungenschaften bei der Umsetzung und Leistung von Infrastrukturprojekten ausgezeichnet. Eine unabhängige Jury, die sich aus führenden Köpfen und Fachleuten auf ihrem Gebiet zusammensetzt, wählt die Gewinner aus den bemerkenswertesten Infrastrukturprojekten der Welt aus. Die mit den Going Digital Awards ausgezeichneten Projekte werden dann auch im Infrastructure Yearbook von Bentley Systems vorgestellt, das an ein internationales Publikum aus Regierungsbehörden, Branchenvertretern, Medien, Branchenanalysten und Bentley-Anwendern gerichtet ist.

Ich bezeichne die beiden zentralen Vorteile von Digitalisierung als Visualisierung und Zusammenarbeit, und das wird jedes Jahr bei diesem Event deutlich. Es verändert sich schon viel in positiver Hinsicht, obwohl die Reise erst begonnen hat.

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