Denkmalschutz trifft auf statische Herausforderungen
Das Gebäudeensemble des Nürnberger Herrenschießhauses vereint einen Fachwerkstrakt aus dem Jahr 1441 mit einem Renaissancebau von 1582/83. Die Sanierung stellte besondere Anforderungen an die Holzbalkendecke im ersten Obergeschoss des Fachwerkbaus sowie an die Konstruktion über dem Gewölbe der Säulenhalle. „In beiden Bereichen ging es darum, das historische Tragwerk zu entlasten und einen neuen, leichten und stabilen Bodenaufbau zu schaffen“, erläutert Architektin Rebecca Bogisch-Seßler von Gumbrecht Architekten BDA GmbH. „Bei der Holzbalkendecke lag der Fokus zusätzlich auf der strikten Einhaltung der Brandschutzvorschriften. Auf dem Pfeilergewölbe musste auch eine wirksame Wärmedämmung realisiert werden.“ Die Planer entschieden sich für einen Leichtbeton LC20/22D1.6 mit Blähtonzuschlag.

Materialeigenschaften als Planungsgrundlage
Die Architektin nennt die technischen Parameter, die zur Materialwahl führten: „Ausschlaggebend war das Zusammenspiel von geringem Gewicht bei gleichzeitig hoher Festigkeit, seiner brandschutzkonformen Nichtbrennbarkeit und seiner wärmedämmenden Wirkung. Liapor-Leichtbeton bringt hier Denkmalschutz, Statik, Brandschutz und Bauphysik ideal zusammen.“ Der mineralische Charakter des Baustoffs fügt sich in die historische Bausubstanz ein und erreicht eine Nutzungsdauer von mindestens einhundert Jahren.
Einbau zwischen historischen Balken
Im Juli 2024 wurden zwölf Kubikmeter Liapor-Leichtbeton mittels Betonpumpe in den ersten Stock befördert und über eine 25 Meter lange Gummischlauchleitung präzise zwischen den historischen Balken eingebracht. Michael Weber von der ausführenden Projektbau Matthias Regner GmbH beschreibt den Ablauf: „Hingepumpt, verteilt, mit der Rüttelflasche verdichtet und abgezogen – und zwar auf den halben Zentimeter genau. Jedes Balkenfeld erhielt seine individuell abgestimmte Höhe.“ Schubverbinder in den Balken stellen einen kraftschlüssigen Verbund her und verhindern Rissbildung an den Kontaktstellen zum Holz. Ein Trockenestrich bildet den oberen Abschluss der Konstruktion.
Lastreduzierung im Gewölbebereich
Über dem Kreuzgewölbe der Säulenhalle reduzierten die Ingenieure die Auflast um 7,2 Tonnen bei neun Kubikmetern verbauten Materials. Die Trockenrohdichte des Leichtbetons von 1,6 Tonnen pro Kubikmeter liegt deutlich unter den 2,4 Tonnen pro Kubikmeter eines Normalbetons. Panagiotis Leontiou von der CEMEX Deutschland AG, die den Leichtbeton herstellte, erklärt eine verarbeitungstechnische Besonderheit: „Um Verstopfungen in der Schlauchleitung zu vermeiden, wurde der Blähton vorgenässt. Das verhinderte, dass die Liapor-Gesteinskörnung während des Pumpvorgangs Wasser aus der Betonmatrix entzieht und die Konsistenz dadurch zu steif wird.“ Auf dem Leichtbeton folgt Gussasphalt als Verschleißschicht.
Die Arbeiten im Herrenschießhaus zeigen modellhaft, wie Leichtbeton-Lösungen die Sanierung denkmalgeschützter Gebäude auch unter komplexen Rahmenbedingungen ermöglichen. Bis Anfang 2027 entsteht hier ein modernes Kinder- und Jugendhaus, das historische Substanz mit zukunftsweisender Nutzung verbindet. (mb)