Neubau in Nürtingen erreicht KfW-Effizienzhaus-40-Standard durch Geothermie und Tageslichtnutzung

Hybrides Lüftungskonzept spart über 50 Prozent Energie

Durch den Einsatz von Geothermie und konsequenter Tageslichtnutzung erreicht der Neubau von Magura Bosch Parts & Services (MBPS) in Nürtingen den KfW-Effizienzhaus-40-Standard. Ein hybrides Lüftungskonzept, das natürliche Belüftung mit mechanischen Systemen kombiniert, spart über 50 Prozent der Energie gegenüber konventionellen Lüftungsanlagen ein.
Doppelklappen in den Vario-Therm Lichtbändern stellen im Brandfall Rauch- und Wärmeabzug sicher. © Foto: Velux Commercial
Doppelklappen in den Vario-Therm Lichtbändern stellen im Brandfall Rauch- und Wärmeabzug sicher. © Foto: Velux Commercial

Das zweigeschossige Gebäude vereint Verwaltung, Service und Logistik auf rund 9.000 Quadratmetern. Oberlichter von Velux Commercial tragen zur Energieeffizienz bei, indem sie den Bedarf an künstlicher Beleuchtung, Heizung und Klimatisierung reduzieren. Das Stuttgarter Büro Sonnentag Architektur hatte den Entwurf entwickelt.

Das Unternehmen MBPS ist seit über zwanzig Jahren im After-Sales-Geschäft für Motorräder, Fahrräder und E-Bikes tätig und betreut Marken wie Magura und Bosch eBike. Der bisherige Standort in Bad Urach konnte das Wachstum nicht mehr aufnehmen. CEO Jochen Hoppe beschreibt die Anforderungen: „Wir hatten das Ziel, eine neue Heimat für alle Bereiche der MBPS unter einem Dach zu finden: von Logistik bis eCommerce. Neben den hohen funktionalen Anforderungen, zum Beispiel bedingt durch den Brandschutz, lag der Fokus darauf, moderne Arbeitsbereiche zu schaffen. Energieeffizienz war uns dabei besonders wichtig.“

Kapazität und Erweiterungspotenzial

Am Hauptsitz arbeiten rund 170 Mitarbeitende. Die Struktur erlaubt eine Erweiterung auf bis zu 430 Beschäftigte. Das Konzept setzt auf drei wesentliche Technologien: hybride Lüftung, Photovoltaik und Geothermie. Begrünte Dachflächen und intensive Tageslichtnutzung senken den Energiebedarf für die Beleuchtung.

Kombination aus natürlicher und mechanischer Lüftung

Die Planer entwickelten ein Lüftungskonzept, das natürliche Belüftung mit einer Lüftungsanlage kombiniert. Eine thermische Gebäudesimulation bildete die Grundlage. Sie zeigte, dass die mechanische Lüftungsanlage an weniger als 50 Prozent der Betriebszeiten laufen muss. Dies spart über die Hälfte des Energiebedarfs gegenüber konventionellen Lüftungsanlagen ein.

Außenliegende Sonnenschutzlamellen verhindern beim BA-Verglasungssystem Blendeffekte und ein Aufheizen des Gebäudes. © Foto: Velux Commercial
Außenliegende Sonnenschutzlamellen verhindern beim BA-Verglasungssystem Blendeffekte und ein Aufheizen des Gebäudes. © Foto: Velux Commercial

Das Konzept priorisiert die Fensterlüftung über motorisch betriebene und sensorgesteuerte Fensterflügel in Dach und Fassade. Diese kühlen das Gebäude nachts aus und belüften die Räume während der Betriebszeiten, solange die klimatischen Bedingungen dies ermöglichen. Nur wenn dies nicht möglich ist, schaltet sich die mechanische Lüftungsanlage zu. CEO Jochen Hoppe berichtet: „Besonders in den Morgenstunden, wenn die Außentemperaturen noch niedrig sind und die Sonneneinstrahlung noch nicht zur Erwärmung der Flächen geführt hat, lässt sich der Kühlbedarf bereits vollständig über die hybride Lüftung abdecken.“

Erdwärme für Heizung und Kühlung

Ein Geothermiesondenfeld mit 96 Erdwärmesonden bildet die Basis der energetischen Gebäudeversorgung. Die Sonden reichen 130 Meter tief in die Erde. Sie beheizen das Gebäude im Winter und kühlen es im Sommer. Der parallele Heiz- und Kühlbetrieb ermöglicht die gesamte thermische Konditionierung mit einer einzigen Anlage bei hoher Effizienz. Gleichzeitig bleiben die geothermischen Bedingungen im Erdreich dauerhaft konstant.

Solarstromproduktion auf Flachdach

Eine Photovoltaikanlage mit einer Nennleistung von 550 Kilowatt Peak produziert eigenen Solarstrom auf dem Flachdach. Das Gebäude verbraucht den Strom weitgehend direkt. Die Anlage deckt circa 50 Prozent des Gesamtenergiebedarfs der Haustechnikanlagen ab und spart jährlich 245.000 Kilogramm CO₂ ein. Die Amortisationszeit liegt bei circa sieben Jahren.

Mit diesen Maßnahmen erfüllt das Gebäude durch geringen Primärenergiebedarf die Anforderungen des KfW-Effizienzhaus-40-Standards.

Die Zeichnung zeigt das BA-Verglasungssystem mit Lüftungs- und Sonnenschutzlamellen. Das System wurde auf einer horizontalen Stahlblechzarge aufgesetzt. © Grafik: Velux Commercial
Die Zeichnung zeigt das BA-Verglasungssystem mit Lüftungs- und Sonnenschutzlamellen. Das System wurde auf einer horizontalen Stahlblechzarge aufgesetzt. © Grafik: Velux Commercial

Unterschiedliche Anforderungsprofile für Büro und Logistik

Bei der Gestaltung der Arbeitsbereiche legte MBPS Wert auf das Wohlbefinden der Mitarbeitenden. Helle Arbeitsplätze mit viel natürlichem Tageslicht ohne störende Blendeffekte waren das Ziel. Dabei mussten die Planer unterschiedliche Anforderungen durch die verschiedenen Nutzungsformen lösen. Bürogebäude und Logistikhalle weisen komplett unterschiedliche Anforderungsprofile auf: Das Büro erwies sich als ungleich komplexer und aufwendiger, unter anderem weil ganz andere Temperaturen und viel geringere Temperaturschwankungen als in einer Logistikhalle erforderlich waren.

CEO Jochen Hoppe erläutert die Entscheidung für zusätzliche Belichtung über das Dach: „Bedingt durch eine Brandschutzwand zu unseren Lagerbereichen mit Lithium-Ionen-Akkus hatten wir die Herausforderung, dass die Bürobereiche nur an einer Seite Fenster haben – bei einer Tiefe von 18 Metern. Um trotzdem für ausreichend Tageslicht zu sorgen, haben wir großzügige Oberlichter mit feststehenden Verschattungselementen eingeplant.“

BA-Verglasungssystem mit niedrigem U-Wert

Die Planer wählten das BA-Verglasungssystem von Velux Commercial mit einem Ug-Wert von 0,7 Watt pro Quadratmeter und Kelvin, der zu einem geringen Heizenergiebedarf in der kalten Jahreszeit beiträgt. Die flexibel gestaltbare Pfosten-Riegel-Konstruktion aus Aluminiumprofilen und Isolierglaselementen sorgt durch mehrere großflächige Dachöffnungen der Größe von vier mal neun Metern (sieben Stück) und ein mal vier Komma fünf Metern (ein Stück) für helle Arbeitsplätze auch in der Tiefe des Raums. Die Planer setzen die Oberlichter mittels vertikal integrierter Lüftungslamellen zur Belüftung ein, was für ein angenehmes Raumklima sorgt. Um Blendeffekte und ein Aufheizen des Gebäudes zu verhindern, installierten die Ausführenden außenliegende Sonnenschutzlamellen vor den Verglasungssystemen. Diese lassen sich je nach Sonnenstand anpassen, sodass es auch an heißen Tagen im Inneren angenehm bleibt und man trotzdem nicht komplett auf Tageslicht verzichten muss.

In drei Treppenhäusern des Gebäudes setzen die Planer die Lichtkuppeln Top 90 von Velux Commercial für eine punktuelle Belichtung ein. Über ihre geometrische Öffnungsfläche sind sie als Rauchabzug zugelassen und tragen im Brandfall zur sicheren Entrauchung bei.

Bautafel

Standort: MAGURA Bosch Parts & Services GmbH & Co. KG Großer Forst 3, 72622 Nürtingen
Projekttyp: Zweigeschossiger Flachdach-Neubau für Verwaltung, Service und Logistik
Baujahr: 2023-2024
Architekten: Architekt Thomas Sonnentag (Sonnentag Architektur) – Spezialist für Green Corporate Architecture
Konstruktion: Mischkonstruktion aus Stahlbeton und Holz

Velux Commercial Produkte:

4 Vario-Therm Lichtbänder (Halle)
Längen 27-70 Meter bei einer Breite von jeweils 3,2 Metern
inkl. 15 Doppelklappen, Elektro RWA (AUF:ZU)
U-Wert Gesamtkonstruktion ohne Zarge: 1,64 W/m²K
Zargen bauseitig geliefert und montiert

BA-Verglasungssystem (Büro)
1,4 x 5 Meter (1x) + 4 x 9 Meter (7x)
Ug=< 0,7 W/m²K
ca. 10° Neigung
Lüftungslamellen
Sonnenschutzlamellen zum Schutz vor Hitze und Blendung durch Sonnenlicht

3 Lichtkuppeln Top 90 (Treppenhäuser)
Größe 120 x 120 cm
2-schalig, opal
Metall-Aufsetzkranz Iso Therm 40 cm
Gesamt-Urc-Wert gem. DIN EN 1873: 1,59 W/m²K
Inkl. Durchsturzsicherung

Steuerung der Lüftungsflügel / Lamellen in der Fassade und Dach zur Lüftung über die bauseitige Gebäudeleittechnik

Energie-Standard: „KfW-Effizienzhaus 40“-Standard

Lichtbänder in Logistik- und Lagerbereichen

In Logistik- und Lagerbereichen fallen die Ansprüche an Wärmedämmung naturgemäß geringer aus. Architekt Thomas Sonnentag erklärt: „Als nicht beheizter Bereich sind in der Halle auch mal 18° in Ordnung.“ Hier konzentrierten sich die Planer darauf, eine Lösung für großflächige Belichtung über das Dach zu finden und gleichzeitig die Anforderungen an Brandschutz über Rauch- und Wärmeabzugsanlagen zu erfüllen. Thomas Sonnentag erläutert: „Wir wollten uns in der Halle nicht nur mit der Erfüllung der nötigen RWA-Fläche zufriedengeben. Auch hier gibt es Arbeitsplätze, die eine hochwertige Lösung verdienen.“

Die Planer installierten vier Vario-Therm-Lichtbänder aus Polycarbonat mit Längen von 27 bis 70 Metern. Sie sorgen in der gesamten Halle für blend- und schlagschattenfreien Tageslichteinfall über das Dach. Im Brandfall stellen die integrierten 15 Doppelklappen, die über 24-Volt-Antriebe elektrisch öffnen, den Rauch- und Wärmeabzug sicher. Die ausschmelzbaren Flächen würden bei Feuer aufreißen und zusätzlich Hitze entweichen lassen.

Die Planung der Oberlichtlösungen erfolgte gemeinsam mit Velux Commercial, die als Komplettanbieter im gewerblichen Bereich für jede Anforderung eine passende Lösung bieten konnten. So bezog das Projekt für die Realisierung von Belichtung über Komfortlüftung bis zu Rauch- und Wärmeabzug über das Dach alles aus einer Hand. (mb)

www.velux.com

© Foto: Ken Schluchtmann, diephotodesigner.de

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