Holzbau trifft auf Brandschutz-Hürden
Der Holzbau steht vor einem grundlegenden Problem: Fehlende Brandschutzlösungen für bewitterte Außenbereiche verhindern den Einsatz des nachwachsenden Rohstoffs bei hohen und großflächigen Gebäuden. Ohne kostspielige Einzelfallzulassungen bleiben Holzbauteile von diesen Projekten ausgeschlossen. Holz speichert CO₂, fördert die Energieeffizienz und wächst nach – Eigenschaften, die den Baustoff für verschiedene Projekte wertvoll machen.
„Mit unserem Forschungsprojekt tragen wir dazu bei, dass Holzfassaden und andere Außenbauteile aus Holz in der Bauindustrie stärker verwendet werden – zum Beispiel bei Hochhäusern, Schulen oder Krankenhäusern“, erläutert Dr. Torsten Kolb, Projektleiter am Fraunhofer WKI.
Bisherige Lösungen scheitern an der Witterung
Frühere Entwicklungen der Institute zeigten bereits intumeszierende Beschichtungen für Innenanwendungen. Diese Dämmschichtbildner versagen jedoch unter Witterungseinflüssen wie Regen und Sonneneinstrahlung. Marktgängige Außenlösungen erfordern zusätzliche Decklackschichten – ein kostspieliger Mehraufwand bei Holzfassaden.
Sol-Gel-Verfahren als Durchbruch
Die Forschenden untersuchten, ob sich Brandschutzbeschichtungen auf Basis wasserlöslicher Stickstoff-Phosphor-Silane oder Cyclophosphazene für Außenanwendungen eignen. Das DTNW synthetisierte verschiedene Flammschutzmittel, die das Fraunhofer WKI in intumeszierende Beschichtungen einformulierte.
„Die von uns durchgeführten Arbeiten zeigen, dass eines der synthetisierten Flammschutzmittel, die nach dem Sol-Gel-Verfahren in eine intumeszierende Beschichtung eingearbeitet wurden, gute flammhemmende Eigenschaften aufweist und gleichzeitig auch witterungsbeständig ist. Zur Herstellung der Sol-Gel-Lösungen wurden die jeweiligen Silan-Präkursoren in einem Wasser-Ethanol-Gemisch gelöst, wobei eine Zielkonzentration von 25 Gew.-% angestrebt wurde“, berichtet Dr. Kolb.
Vier Formulierungen im Praxistest
Die Forschenden testeten vier Formulierungen in Brandschacht, Cone-Kalorimeter und unter natürlicher Bewitterung. Zwei Beschichtungen bestanden aus klassischen intumeszierenden Mischungen mit Bindemitteln, zwei weitere enthielten zusätzlich die neu synthetisierten Flammschutzmittel. Eine Formulierung mit dem synthetisierten Flammschutzmittel behielt auch nach zwölf Monaten Freibewitterung ihre Lackeigenschaften. Brandschacht-Untersuchungen an unbewitterten Proben wiesen die Schwerentflammbarkeit nach. Cone-Kalorimeter-Messungen und anschließende ConeTools-Simulationen prognostizieren für diese Beschichtung die Baustoffklasse B vor der Bewitterung und Klasse C danach.
Regelkonformität für höhere Gebäudeklassen
Das Ergebnis stärkt den sichtbaren Holzbau in höheren Gebäudeklassen. Paragraf achtundzwanzig Absatz drei der Musterbauordnung von zweitausendzwei fordert schwerentflammbare Außenwandoberflächen in den Gebäudeklassen vier und fünf. Dies betrifft hohe oder großflächige Gebäude wie Mehrfamilienhäuser, Bürogebäude, Krankenhäuser und Schulen. Auch kleinere Sonderbauten wie Kindertagesstätten unterliegen oft hohen Brandschutzanforderungen.
Die Forschungsergebnisse eröffnen sowohl mittelständischen Lackherstellern als auch Holzbauunternehmen neue Marktchancen. Bei entsprechender Weiterentwicklung können diese Systeme zur Marktreife gebracht werden und ermöglichen Holzeinsatz in höheren Gebäudeklassen. Dies erschließe den Unternehmen nationale und internationale Marktsegmente und soll ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken, heißt es beim Fraunhofer WKI. (mb)