Bei der Anhörung wurden erwartungsgemäß die widerstreitenden Positionen zur losweisen Vergabe vorgetragen. Insbesondere von den Vertretern der Bauindustrie und der kommunalen Spitzenverbänden wurde vehement eine Aufweichung der losweisen Vergabe um zeitliche Gründe gefordert. Prof. Burgi betonte demgegenüber die Bedeutung der Losaufteilung für mittelständische Betriebe und machte deutlich, dass bei losweiser Vergabe mehr Wettbewerb stattfinde. Darüber hinaus hob er auf Frage des Ausschussmitgliedes Dr. Saskia Funk auch die besondere Rolle der Architekten und Ingenieure hervor (1:58:50).
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Bedeutung des Losverfahrens für mittelständische Betriebe
Prof. Dr. jur. Martin Burgi von der Ludwig-Maximilians-Universität München lobte den Regierungsentwurf, da mit diesem die beabsichtigte Vereinfachung und Beschleunigung gelinge. Er betonte aber die Bedeutung des Losverfahrens für mittelständische Betriebe. Wenn großvolumige Vorhaben, die aus dem Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität finanziert würden, insgesamt und nicht in Teilen vergeben werden würden, bestehe die Gefahr einer Einschränkung des Wettbewerbs. „Es ist empirisch belegt, dass mehr Wettbewerb stattfindet, wenn ich mehr Lose habe“, erklärte Burgi. Das Losverfahren bedeute „mehr Angebote, mehr Auswahl, mehr Qualität und mehr Preiswettbewerb“.
Gemeinsam unterstützen der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH), der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB), die Bundesarchitektenkammer (BAK) und die Bundesingenieurkammer (BIngK) ausdrücklich den Regierungsentwurf zum Vergaberecht, insbesondere den Kompromiss für eine mittelstandsfreundliche Vergabe.
Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer Zentralverband Baugewerbe, ergänzte nach der Anhörung: „Die großen Aufgaben im Bereich der Infrastrukturmodernisierung können nur bewältigt werden, wenn alle Kapazitäten mobilisiert werden. Über die größten Kapazitäten verfügt das mittelständische Baugewerbe. Es trägt die Bauleistung in die Fläche und sorgt dafür, dass öffentliche Investitionen auch in den Regionen ankommen. Kommunen brauchen Unterstützung bei der Durchführung von Vergabeverfahren. Dafür sind einfachere Abläufe, mehr Digitalisierung und eine bessere personelle Ausstattung der richtige Weg. Es braucht auf keinen Fall die Aufgabe bewährter Grundsätze. Andernfalls brechen den Kommunen die Gewerbesteuereinnahmen weg. Der Regierungsentwurf schafft eine faire und rechtssichere Lösung. Er stärkt den Mittelstand, sichert Qualität auf den Baustellen und hält die Wertschöpfung in den Regionen.“
Förderung der deutschen Wirtschaft angemahnt
Heiko Reese von der Industriegewerkschaft Metall nannte es wirtschafts- und gesellschaftspolitisch fahrlässig, Haushaltsmittel in dreistelliger Milliardenhöhe nicht oder nur unzureichend zur Sicherung der heimischen Wertschöpfung und Beschäftigung sowie zur Förderung grüner Leitmärkte einzusetzen. Öffentliche Aufträge müssten daher konsequent mit „Local Content“-Regelungen verknüpft werden. Davon sei in dem Gesetzentwurf nichts zu erkennen.
Auch Michael Stamm vom Deutschen Gewerkschaftsbund nannte es höchste Zeit, Local-Content-Vorschriften zu nutzen. Gerade Angebote aus Nicht-EU-Staaten seien immer wieder durch dumpingverdächtige Tiefstpreisangebote gekennzeichnet. Auch die Erteilung von Direktaufträgen mit einer Auftragswertgrenze in Höhe von 50.000 Euro stehe sei vergaberechtlich höchst problematisch, haushaltsrechtlich bedenklich und weder mittelstands- noch innovationsfreundlich. Mit dem europäischen Primärrecht dürfte sie kaum vereinbar sein.
Grundlage der Anhörung war der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Vergabe öffentlicher Aufträge (21/1934). Damit soll unter anderem die Wertgrenze für Direktaufträge des Bundes auf 50.000 Euro erhöht werden. Weiterhin ist die Reduzierung von Nachweis- und Dokumentationspflichten vorgesehen.
Es bleibt abzuwarten, welche Empfehlungen der Ausschuss im Laufe des weiteren Gesetzgebungsvorhabens aussprechen wird und ob dies Auswirkungen auf den derzeitigen Regierungsentwurf haben wird.