Baupraxis

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Zirkulares Planen, Bauen und Betreiben von Immobilien

Transformation zu einer kreislauforientierten Baupraxis

Zirkularität im Bauwesen ist mehr als Recycling: Sie verlangt neue technische Standards, rechtssichere Vertragsstrukturen und eine strategische Projektorganisation. Der Beitrag zeigt, wie Ingenieurinnen und Ingenieure die Transformation zu einer kreislauforientierten Baupraxis aktiv mitgestalten können.
Tabelle 1 Maßnahmen zirkulärer Wertschöpfung in Bezug zu R-Strategien der Kreislaufwirtschaft © Anne Baureis, Florian Dressel, Michael Simon
Tabelle 1 Maßnahmen zirkulärer Wertschöpfung in Bezug zu R-Strategien der Kreislaufwirtschaft © Anne Baureis, Florian Dressel, Michael Simon

Abstract

Der Beitrag beleuchtet die technischen und rechtlichen Grundlagen für zirkuläres Planen, Bauen und Betreiben von Immobilien. Ausgangspunkt ist der regulatorische Rahmen der EU-Kreislaufwirtschaftsstrategie, ergänzt um nationale Initiativen wie die BauPVO 2025 und die Abfallendeverordnung. Im technischen Teil werden R-Strategien, Variantenvergleiche und Anforderungen an Bauwerke und Projektorganisation dargestellt. Der rechtliche Teil analysiert die Wiederverwendung von Bauprodukten im Kontext von Abfallrecht, Planer-, Kauf- und Bauverträgen. Ziel ist es, Ingenieurinnen und Ingenieure eine praxisnahe Orientierung zu geben, wie zirkuläre Konzepte rechtssicher und technisch fundiert umgesetzt werden können – im Neubau wie in der Bestandsentwicklung.

A. Regulatorischer Rahmen

Der Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft der Europäischen Union, welcher im März 2020 von der Europäischen Kommission verabschiedet wurde, stellt einen grundlegenden regulatorischen Rahmen für den Übergang in der EU zu einer Kreislaufwirtschaft dar. Dieser Plan soll dazu beitragen, den Druck auf natürliche Ressourcen zu verringern, nachhaltiges Wachstum und Arbeitsplätze zu fördern sowie das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen 1.

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Der Aktionsplan Kreislaufwirtschaft konzentriert sich auf folgende Zielsetzungen:

  • Nachhaltige Produkte zur Norm zu machen.
  • Bereitstellung besserer Informationen, um nachhaltigen Entscheidungen zu fördern.
  • Fokus auf ressourcenintensive Sektoren
  • Weniger Abfall erzeugen durch Kreislaufführung.
  • Kreislaufwirtschaft für Menschen, Regionen und Städte nutzbar zu machen
  • Vorreiterrolle bei globalen Bemühungen um die Kreislaufwirtschaft

 

Der Bausektor zählt zu den ressourcenintensivsten Branchen und bietet erhebliches Potenzial für die Umsetzung des EU-Aktionsplans zur Kreislaufwirtschaft. Besonders hervorzuhebende Potenziale sind:

  • Die Verwendung nachhaltiger Materialien minimiert den ökologischen Fußabdruck von Bauprojekten.
  • Kreislaufwirtschaftsprinzipien in der Bauplanung erleichtern die Demontage und Wiederverwendung von Bauteilen und Materialien.
  • Effiziente Bauprozesse reduzieren Abfall und fördern die Wiederverwendung von Materialien.
  • Die Sanierung von Gebäuden statt deren Abriss verbessert die Energieeffizienz mit Blick auf „graue Energie“ und verlängert deren Lebensdauer.
  • Regionale Initiativen wie urban mining treiben die Kreislaufwirtschaft im Bauwesen voran und etablieren nachhaltige Baupraktiken.

 

Der Aktionsplan ist mit anderen regulatorischen Initiativen des Green Deals der Europäischen Union verknüpft, die eine nachhaltigere und ressourceneffizientere Wirtschaft fördern sollen, wie der EU-Taxonomie, der REACH-Verordnung und der Abfallrahmenrichtlinie.

Für Unternehmen, die unter die Berichtspflicht der Corporate Social Reporting Directive (CSRD) fallen (die Stand heute – September 2025 – in Deutschland noch nicht in nationales Recht umgesetzt wurde), gilt es im Falle der Wesentlichkeit des ESRS E5 die wesentlichen positiven und negativen Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit offenzulegen. Dies schließt Maßnahmen zur Vermeidung der Erschöpfung nicht erneuerbarer Ressourcen und zur nachhaltigen Nutzung erneuerbarer Ressourcen im Zuge von Sanierungstätigkeiten ein. Außerdem sind Konzepte zur Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft sowie die zur Erreichung der Ziele eingesetzten Maßnahmen darzulegen. Ein wesentlicher Aspekt der Ressourcennutzung ist die Erfassung der physischen Ströme der im Lebenszyklus von Immobilien verwendeten Ressourcen, insbesondere Bauprodukte und Materialien. Dies beinhaltet sowohl die Zuflüsse von Ressourcen, also die Materialien, die in den Bauprozess einfließen, als auch die Abflüsse von Ressourcen, also die Produkte und Abfälle, die aus dem Bauprozess resultieren.

B. Zirkuläre Strategien

I. Ressourcennutzung

Die Kreislaufwirtschaft bezeichnet ein System, in dem der Wert von Produkten, Materialien und anderen Ressourcen so lange wie möglich erhalten bleibt. Dies geschieht durch die Anwendung der Abfallhierarchie mit folgender Reihenfolge: Vermeidung, Vorbereitung zur Wiederverwendung, Recycling, sonstige Verwertung (z. B. energetische Verwertung) und Beseitigung. Diese Hierarchie entspricht der im § 6 KrWG geregelten Abfallhierarchie und zielt darauf ab, die Umweltauswirkungen der Ressourcennutzung zu minimieren 2.

Nachhaltige Ressourcennutzung zielt darauf ab, nicht erneuerbare Ressourcen zu schonen und Abfallprozesse zu vermeiden, einschließlich der effizienten Nutzung von Bauteilen und Materialien über den gesamten Lebenszyklus von Immobilien. Zirkuläre Ansätze im Planen und Bauen unterstützen diese Zielsetzung, indem sie Umweltbelastungen minimieren, die Transparenz von verbauten Bauprodukten und Materialien erhöhen und langfristige wirtschaftliche Vorteile bieten. In der Folge tragen zirkuläre Ansätze in der Bau- und Immobilienwirtschaft dazu bei, das Vertrauen bei Stake­holdern zu stärken.

II. R-Strategien

R-Strategien sind fundamentale Prinzipien der Kreislaufwirtschaft, die Ressourceneffizienz und zirkuläre Wertschöpfung unterstützen. Alle R-Strategien haben das Ziel, den Verbrauch natürlicher Ressourcen zu reduzieren und die Wiederverwendung von Materialien zu fördern. Die Strategien folgen einer Hierarchie und ergänzen sich gegenseitig. Ihre Umsetzung ist wichtig für den Übergang zu einer zirkulären Wertschöpfung. Nachfolgende Übersicht ordnet die R-Strategien Handlungsfeldern zirkulärer Wertschöpfung zu.

Nicht alle Aspekte der zirkulären Wertschöpfung lassen sich klar einer R-Strategie zuordnen. Die R-Strategien sind nach ihrem Zirkularitätsgrad geordnet – je höher, desto länger die Nutzung und Wiederverwendung von Materialien. Höher Priorisierung bei den R-Strategien bedeutet oft geringere Umweltauswirkungen durch weniger Bedarf an Primärmaterial und Energie 5. Dennoch kann es Abweichungen geben, etwa durch mehr Energieaufwand beim Recycling.

III. Bedeutung von Variantenvergleichen

Die Lebenszyklusanalyse von Bauprojekten macht Zielkonflikte messbar und vergleichbar. Variantenvergleiche identifizieren nachhaltige, wirtschaftlich tragfähige Lösungen, die Bauqualität und Umweltverträglichkeit erfüllen. Verfahren zur Produktivitätssteigerung, innovative Technologien und Lebenszykluskostenanalysen unterstützen langfristige Entscheidungen. Neue Bauverfahren und umweltfreundliche Technologien senken THG-Emissionen. Umweltbewusste Planung und die Wahl nachhaltiger Materialien verbessern die Bauqualität. Zirkuläre Konzepte und vorhandene Ressourcen fördern Nachhaltigkeit. Effiziente Bauverfahren steigern ebenfalls die Bauqualität.

Durch Variantenvergleich ist es möglich, verschiedene Ansätze des zirkulären Planens und Bauens zu bewerten und die beste Lösung zu finden. Dabei werden beispielsweise Änderungen in Wirtschaftlichkeit, THG-Emissionen und Bauqualitäten berücksichtigt.

C. Zirkularität in der operativen Umsetzung

Die Akteure des zirkulären Planens und Bauens von Immobilien stehen entlang der gesamten Wertschöpfungskette vor unterschiedlichen baulich-technischen und organisatorischen Herausforderungen.

I. Anforderungen an Bauwerk und Materialien

In der Anwendung zirkulärer Strategien sind spezifische Anforderungen an das Bauwerk sowie die verwendeten Materialien zu beachten. Gebäude müssen so gestaltet werden, dass sie sich an sich ändernde Nutzerbedürfnisse und Bedingungen anpassen können. Dies umfasst Aspekte wie Gebäudegeometrie, Grundrisse, Konstruktion und technische Ausstattung. Die Sicherstellung einer angemessenen Behaglichkeit erfordert oft zusätzliche Maßnahmen wie die Vergrößerung der Fensteröffnungsfläche oder die Installation von gebäudetechnischen Anlagen. Die Auswahl langlebiger und umweltfreundlicher Materialien sowie die Integration von digitalen Technologien sind entscheidend, aber oft kostspielig und technisch anspruchsvoll. Eine effiziente Nutzung bereits versiegelter Flächen und die Optimierung der Flächennutzung durch Gestaltung stützenfreier Räume, schlanke Außenwände und flexible Bürogrundrisse sind notwendig, um Bau- und Betriebskosten zu reduzieren. Im Fokus der operativen Umsetzung des zirkulären Planen und Bauens stehen dabei:

  • Ressourcenschonende Planungsprozesse
  • Materialeffizienz durch Wiederverwendung
  • Technologische Innovationen
  • Datentransparenz

 

II. Anforderungen an die Projektorganisation

Der Erfolg des zirkulären Planens und Bauens hängt in großem Maße von der Qualität der Projektorganisation ab. Ein zirkulärer Ansatz legt hohen Anspruch auf die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure. Es bedarf daher einer gut durchdachten Projektorganisation, um das gesamte Ökosystem der beteiligten Akteure bei zirkulären Projekten zu steuern. Ein Schlüssel hierzu können Kollaboration und gemeinsame Innovationsprojekte von Akteuren sein. Der erfolgreiche Verlauf eines Projektes hängt dabei von mehreren entscheidenden Faktoren ab:

Zirkuläre Planungsansätze unter Einbezug von Technologie, Organisation, Personal und Nutzerbedarf

Anpassungsfähigkeit der Projektorganisation durch Agilität und Flexibilität

Digitale Kompetenz der Projektbeteiligten

Vertrauen unter den Projektbeteiligten als Bindeglied in Zeiten der Transformation

D. Zirkularität in der rechtlichen Umsetzung

Die Wiederverwendung von Bauprodukten und -materialien findet zunehmend Beachtung in der Bau- und Immobilienwirtschaft. Dies liegt u. a. auch am wirtschaftlichen Potential in Zeiten von steigenden Rohstoffpreisen. Der Bundesverband Baustoffe-Steine und Erden e. V. hat 2023 ermittelt, dass im Jahr 2020 insgesamt 584,6 Mio. t Gesteinskörnungen in Deutschland für die Bauindustrie produziert wurden – auch wenn dem gegenüber rund 220 Mio. t entsprechende Bauabfälle entgegenstehen, werden nur 13 %, rund 77 Mio. t der jährlich eingesetzten Gesteinskörnungen über Recyclingbaustoffe gedeckt. 6

Das vorhandene Potential wird u. a. wegen (vermeintlicher) rechtlicher Hemmnisse nicht wirklich ausgeschöpft. Werden gebrauchte/recycelte Bauprodukte bzw. -materialien wiederverwendet, stellt sich häufig die Frage nach den rechtlichen Rahmenbedingungen. Grundsätzlich muss unterschieden werden, ob es sich um die rechtliche Möglichkeit der Wiederverwendung im öffentlichen Baurecht oder im privaten Baurecht handelt.

I. Stand der rechtlichen Vorhaben – auf nationaler und europäischer Ebene

Die folgende Aufzählung unterschiedlicher rechtliche Vorhaben auf nationaler und europäischer Ebene zur rechtlichen Umsetzung von Kreislauffähigkeit ist nicht vollständig, sondern bildet nur einige große Maßnahmenpakete ab.

EU-Bauproduktenverordnung: Die Novelle der Verordnung stammt vom 18. Dezember 2024 und ist am 07. Januar 2025 in Kraft getreten. Die neue Verordnung zielt darauf ab, die Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität des Bausektors zu stärken, innovative und nachhaltige Techniken zu fördern sowie die Digitalisierung voranzutreiben. Ein zentraler Bestandteil ist die Einführung eines digitalen Produktpasses, der umfassende Informationen über Bauprodukte bereitstellt, einschließlich Leistungs- und Konformitätserklärungen, Sicherheitsinformationen und Gebrauchsanleitungen. Erstmals ist die EU-Kommission ermächtigt, verbindliche Umweltanforderungen an Bauprodukte auf EU-Ebene zu formulieren. Zudem werden Hersteller verpflichtet werden, Nachhaltigkeitsindikatoren aus der EN 15804+A2 zu Umwelt- und Klimaanforderungen in der Leistungserklärung für ihr Bauprodukt auszuweisen. Daneben sieht die Verordnung vor, künftig auch eine Harmonisierung von gebrauchten Bauprodukten zu ermöglichen.

Standardleistungsbuch: Das BMWSB hat gemeinsam mit dem Deutschen Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen das Standardleistungsbuch dahingehend weiterentwickelt, dass die Wiederverwendung von Bauteilen und die Verwendung von Recycling-Baustoffen in Baumaßnahmen der öffentlichen Hand stärkere Berücksichtigung finden. Konkret zeigt sich dies aktuell an folgenden Punkten:

  • Integration von Recyclingbaustoffen und wiederverwendbaren Bauteilen in öffentliche Ausschreibungen.
  • Förderung von nachhaltigem Bauen durch die Einbindung von nachhaltigen Materialien und Bauteilen, die einen Nachweis über ihre Herkunft und Qualität bieten.
  • Verstärkte Berücksichtigung von Kreislaufwirtschaft in den Leistungsbeschreibungen, was in den neuesten Ausgaben des STLB-Bau, insbesondere in Bezug auf Bauteile und Materialien mit einem nachgewiesenen recycelten oder wiederverwendbaren Hintergrund, reflektiert wird.

 

So beinhaltet das Standardleistungsbuch Bestimmungen zur Verwendung von RC-Beton, welches beispielsweise beim Bau von Wänden zumindest teilweise verpflichtend eingesetzt werden soll. Ähnliche Anweisungen gibt es für den Straßenbau und die Nutzung von recyceltem Verfüllmaterial. Jedoch soll nicht nur beim Aufbau, sondern auch beim Abbruch stets vor dem Hintergrund der Wiederverwendbarkeit und dem Recycling von Baumaterial vorgegangen werden, indem brauchbares Material sortiert und wiederverwendbare Stoffe vorbereitet werden. 7

  • Abfallende-Verordnung: Das BMUV plant Kriterien, wann die Abfalleigenschaft bestimmter mineralischer Ersatzbaustoffe endet. Die geplante Abfallende-Verordnung wird auf den Regelungen der Ersatzbaustoffverordnung zur güteüberwachten Herstellung mineralischer Ersatzbaustoffe aufbauen. Mineralische Ersatzbaustoffe, die das Abfallende erreicht haben, werden auch außerhalb des Anwendungsbereiches der Ersatzbaustoffverordnung, z. B. im Hochbau, einsetzbar sein. So wird die Verordnung dazu beitragen, dass mineralische Ersatzbaustoffe verstärkt im Kreislauf geführt werden und gleichzeitig der Schutz von Mensch und Umwelt sichergestellt wird.
  • Integration von Förderbausteinen in die Bundesförderung: Die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) inklusive der Förderung für einen klimafreundlichen Neubau (KFN) adressiert die Kreislaufwirtschaft bisher ausschließlich über das Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude (QNG). Es ist geplant, weitere Förderbausteine und Ergänzungen zu weiteren kreislauffähigen Materialien zu entwickeln.
  • Holzbauinitiative: Durch die bereits im Juni 2023 beschlossene Strategie der Bundesregierung in Federführung der Bundesbau- und Bundeslandwirtschaftsministerien (BMWSB/BMEL) soll das Bauen mit Holz und anderen nachwachsenden Rohstoffen als wichtigem Beitrag für ein klimafreundliches und ressourceneffizientes Bauen gestärkt werden.
  • Monitoring Ersatzbaustoffverordnung: In Art. 5 der Mantelverordnung wird die Bundesregierung beauftragt, bis zum 01.08.2025 die Auswirkungen des Vollzugs der Regelungen auf die Verwertung mineralischer Abfälle zu prüfen und ggf. Änderungen der Verordnung umzusetzen. Das Umweltbundesamt hat daher ein Forschungsvorhaben initiiert, um ein wissenschaftliches Monitoring zum Einsatz und Verbleib der mineralischen Ersatzbaustoffe durchzuführen. Ergebnisse sind aktuell (Stand September 2025) noch nicht bekannt.

 

Aufgrund der regelmäßigen Aktualisierung und Fortschreibung der Regelungen empfiehlt es sich, vor Verwendung nachzuprüfen, wie der aktuelle Stand ist.

II. Praktische Umsetzung: Anforderungen des Abfall- und Bauordnungsrecht

Ungeachtet der verschiedenen Bestrebungen, die Wiederverwendung auch in Bezug auf den rechtlichen Rahmen zu stärken und zu vereinfachen, stellt sich die Frage, wie sie schon heute umgesetzt werden kann. Ganz grundlegend sind hier zwei Ebenen zu unterscheiden: Die Ebene des öffentlichen Rechts (vor allem Abfall und Bauordnungsrecht) und die Ebene des Privatrechts (vor allem Kaufrecht und Bau- und Architektenrecht). Auf der ersten Ebene geht es vor allem um die Frage, was zulässig ist – auf der zweiten Ebene geht es um die Frage, wie die Umsetzung vertraglich sinnvoll ausgestaltet werden kann.

In Bezug auf die öffentlich-rechtlichen Anforderungen gilt: Sollen Bauprodukte und -materialien wiederverwendet werden, denken viele Beteiligte sofort an die Anwendung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG), das die Abfallvermeidung, -bewirtschaftung und -entsorgung regelt. Dieses Gesetz findet Anwendung, wenn es u. a. nach § 3 Abs. 1 KrWG um Abfälle geht:

„Abfälle im Sinne dieses Gesetzes sind alle Stoffe oder Gegenstände, derer sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss.“

Handelt es sich um Abfall in diesem Sinne, so sehen die gesetzlichen Regelungen konkrete Anforderungen an die Entsorgung vor – das widerspräche allerdings dem Gedanken der Zirkularität. Die Einordnung als Abfall gilt es daher zu vermeiden.

Wann liegt also kein Abfall vor? Maßgeblich für die Anwendung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes sind eine objektive Entledigungshandlung und ein subjektiver Entledigungswille. Hieran fehlt es – wenn ein Bauprodukt bzw. -material mit dem Willen zur Weiternutzung bereits ausgebaut bzw. zurückgebaut wird. Dies können sich die Beteiligten am Bauvorhaben zunutze machen und bereits mit entsprechend dokumentierter Absicht zur Weiternutzung die Bauprodukte und -materialien ausbauen. Zu beachten ist jedoch, dass es neben einem erforderlichen neuen Verwendungszweck und einer Wiederverwendungsabsicht auch erforderlich ist, dass die weitere Nutzung in einem zeitlich überschaubaren Zeitraum möglich ist. Es muss also ein Zusammenhang zwischen finaler Zwecksetzung und objektiver Realisierbarkeit bestehen.8

Hat man die Einstufung als Abfall auf diese Weise vermieden, so ist dessen ungeachtet sicherzustellen, dass die wiederzuverwendenden Baumaterialien zulässig im Sinne der Landesbauordnung sind.

So dürfen beispielsweise nach § 18 Abs. 1 der BauO für das Land NRW nur Bauprodukte verwendet werden, wenn bei ihrer Verwendung die baulichen Anlagen bei ordnungsgemäßer Instandhaltung während einer dem Zweck entsprechenden angemessenen Zeitdauer die Anforderungen dieses Gesetzes oder der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften erfüllen und gebrauchstauglich sind. Um diese Anforderungen in NRW (und entsprechend in anderen Bundesländern) zu erfüllen, gilt: Für das jeweilige Bauprodukt, das wiederverwendet werden soll, muss ein Verwendbarkeitsnachweis in Form einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung, eines allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnisses oder der Zustimmung im Einzelfall beantragt werden.

Nun liegt es nahe, von dem ursprünglich schon einmal erteilten Verwendbarkeitsnachweis auszugehen („War ja schon eingebaut und zulässig, muss es also weiterhin sein“). Das ist aber keineswegs immer der Fall: Im Einzelnen gilt es hier zu prüfen, ob und inwiefern ein für das damals noch als Neubauprodukt bereits erteilter Verwendbarkeitsnachweis fortgeführt werden kann. Regelmäßig sind diese ohnehin befristet. Daneben stellt sich die Frage, ob der ursprüngliche Verwendbarkeitsnachweis auf die Wiedereinbringung überhaupt Anwendung findet.

Zusammenfassend: Für die Vermeidung der Einordnung als „Abfall“ ist für die Bauprodukte vor allem zu dokumentieren, dass kein Entledigungswille vorliegt. Die bauordnungsrechtlich zulässige Weiterverwendung ist möglich – bedarf aber einer genauen Betrachtung des Einzelfalls.

III. Praktische Umsetzung: Kaufrecht und Bau-/Architektenrecht

Die öffentlich-rechtliche Bewertung ist allerdings alleine nicht geeignet, die Wiederverwendung tatsächlich auch erfolgreich im konkreten Bauvorhaben umzusetzen. Die wiederzuwenden Bauprodukte müssen erworben werden, ihr Einbau muss geplant und ausgeführt werden. Diese zivilrechtliche Betrachtung birgt eigene Herausforderungen – ist aber von ebenso entscheidender Bedeutung für die Umsetzung.

Zunächst setzt die erfolgreiche Umsetzung zirkulärer Strategien und Konzepte eine entsprechende Planung voraus. Insofern sollte mit dem Architekten frühzeitig vereinbart werden, dass er/sie auch solche Leistungen erbringt. Das ist nicht gänzlich unproblematisch: Der Wiedereinbau von gebrauchten Materialien legt eine Abweichung von den allgemein anerkannten Regeln der Technik zumindest nahe. Allerdings dürfen die Leistungen des Architekten die Anforderungen der allgemein anerkannten Regeln der Technik und technischen Normen nicht unterschreiten, diese Regeln haben sich in der Praxis nämlich bewährt und stellen die Ordnungsmäßigkeit eines Bauwerks sicher. Zwar können die Vertragsparteien von diesem „Mindeststandard“ einvernehmlich (auch nach Vertragsschluss) abweichen. Derartige Vereinbarungen werden aber von der Rechtsprechung traditionell kritisch hinterfragt – eine Aufklärung über die konkreten Folgen der Abweichung ist erforderlich.

Aus diesem Grund ist es umso wichtiger, genau zu prüfen, ob das verwendete wiederbeschaffene bzw. recycelte Baumaterial den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht oder ob es deren Anforderungen unterschreitet. Ist letzteres der Fall, sind gerade Architekten und Ingenieure gut darin beraten, eine entsprechende Vereinbarung zu treffen. Denn der bewusste Verstoß gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik stellt versicherungsrechtlich ein Problem dar. Ggfs. haftet der Architekt bzw. Ingenieur hier also selbst.

Beim Kauf von wiederverwendbarem oder recyceltem Baumaterial durch beispielsweise den Bauherrn sollte stets darauf geachtet werden, welche Beschaffenheitsvereinbarung genau vereinbart wurde und welche Abnutzungen oder Gebrauchsspuren gerade keine Abweichung von der gewünschten Beschaffenheit darstellt. Dazu erforderlich ist eine klare und präzise Beschreibung der geforderten Qualitätsmerkmale. Damit einher geht, dass im Rahmen des rechtlich Möglichem vorher vereinbart wird, inwieweit für auftretende „Mängel“ gehaftet wird. Außerdem ist, wie bereits erwähnt, stets zu berücksichtigen, dass die Bauprodukte die gesetzlichen aktuellen Anforderungen erfüllen müssen, insbesondere wenn es sich um sicherheitsrelevante Bauprodukte handelt. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass beim Kauf von wiederverwendbarem oder recyceltem Baumaterial unter Umständen kürzere Gewährleistungsfristen gelten, als bei „neuem“ Baumaterial.

Ob durch den Bauherrn erworben und beigestellt oder unmittelbar durch den Auftragnehmer geliefert – die Baumaterialien müssen auch eingebaut werden. Hier steht für Viele die Frage nach der Haftung im Vordergrund. Der Bauherr, der recycelte Bauprodukte und -materialien nutzen möchte, erwartet üblicherweise, dass der Auftragnehmer auch in diesem Fall die Haftung übernimmt. Vertragliche Haftungsausschlüsse oder Bedenkenanzeigen nach § 4 Abs. 3 VOB/B, die ebenfalls zu einem Ausschluss der Haftung führen, werden zumeist als nicht sachgerechte Lösung empfunden.

Sachgerechter erscheint es, dass die Parteien bereits im Vertrag die konkrete Beschaffenheit der Bauprodukte und -materialien festlegen und hierbei die Erkenntnisse aus dem Rückbau der Materialien nutzen. Ist im Bauvertrag bereits vereinbart, dass der Auftragnehmer keine „neuen“ Bauprodukten und -materialien schuldet, sondern recycelte einsetzen kann/ soll/ muss, kann im nächsten Schritt die Qualität dieser Materialien näher bezeichnet werden – z. B. welche typischerweise vorliegenden Abnutzungsspuren oder -erscheinungen keinen Mangel darstellen, sondern im Rahmen der Beschaffenheit der Materialien hingenommen werden müssen.

Dem Auftragnehmer ist angeraten, den Bauherrn detailliert und nachvollziehbar über mögliche Folgen der konkreten Beschaffenheit aufzuklären und dies – für den Streitfall – auch zu dokumentieren; dies kann auch bereits im Vertrag selbst erfolgen.

Zusammenfassend: Zivilrechtlich lässt sich der Einsatz von wiederverwendeten Baumaterialien gut darstellen. Ob im Architekten-, Kauf- oder Bauvertrag – die Frage nach der Einstandspflicht für derartige Materialen steht vielfach im Fokus. Die sachgerechte Beantwortung setzt eine transparente Vertragsgestaltung und den Willen beider Parteien, Restrisiken zu tragen, voraus.

Ein besonderer Schwerpunkt aller drei Autoren liegt auf der Beratung zu nachhaltigem und ESG-konformen Planen, Bauen und Betreiben.

1 Aktionsplan Kreislaufwirtschaft
2 Kreislaufwirtschaftsgesetz 2012, letzter Abruf: 09.09.2025
3 vgl. Potting et al, Circular economy: what we want to know and can measure System and baseline assessment for monitoring the progress of the circular economy in the Netherlands, 2018, S.11
4 Vgl. Deutsche Energie-Agentur, Geschäftsmodelle für zirkuläres Bauen und Sanieren, 2023, S.9
5 Simon, M. (2024). Technische Methoden und Ansätze zur Unterstützung nachhaltigen Planens, Bauens und Betreibens. In Dressel/Baureis (Hrsg.) Rechtshandbuch nachhaltiges Planen, Bauen und Betreiben. München: C.H. Beck. 95.
6 Bundesverband Baustoffe–Steine und Erden e.V. (2023): Mineralische Bauabfälle Monitoring 2020. Bericht zum Aufkommen und zum Verbleib mineralischer Bauabfälle im Jahr 2020
7 BR-Drucksache 283/23 S. 3 f.
8 VG Würzburg, Urt. v. 20.11.2020 – W 10 K 20.888, BeckRS 2020, 33737, Rn. 27.

Anne Baureis © Jochen Rolfes
Anne Baureis
ist Rechtsanwältin bei Kapellmann Rechtsanwälte. Sie berät umfassend im privaten Bau- und Immobilienrecht, von Vergabeverfahren, über Vertragsgestaltung bis hin zu streitigen Auseinandersetzungen. © Jochen Rolfes
Florian Dressel © Loschelder Rechtsanwälte
Florian Dressel
Dr., ist Rechtsanwalt bei Loschelder Rechtsanwälte. Er berät umfassend im Bau- und Immobilienrecht mit einem besonderen Fokus auf dem Architektenrecht. © Loschelder Rechtsanwälte
Michael Simon © simon+savas 
Michael Simon
Prof. Dr., ist Professor für Ressourceneffizienz im Planen, Bauen und Betreiben von Immobilien an der Hochschule RheinMain und Geschäftsführender Gesellschafter des Beratungsbüros simon+savas. Er berät mit seinem Büro bei der Umsetzung ressourceneffizienter und klimaangepasster Bau- und Sanierungsprojekte. © simon+savas 

Quelle: Salto Systems

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